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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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wirkte.
    Er mochte ihre Haare, ganz glatt und sorgsam auf halber Höhe zwischen Kinn und Schultern abgeschnitten. Sie trug wieder ein graues Jackett. Ihre Kleidung war streng und schlicht wie die einer Nonne. Aber sie sprach so ausdrucksvoll mit ihren Händen, als ob sie Tänzer wären. Er glaubte nicht, dass ihr bewusst war, wie viel ihr Gesicht preisgab, die subtilen Veränderungen der Farbe ihrer Haut, das leise ironische Lächeln um den Mund und die Großzügigkeit in ihren Augen.
    Sobald er zur Tür hinein war und der Bedienung gesagt hatte, er sei mit einer Freundin verabredet, erwartete er, dass sie aufsah. Sie hatte sein Kommen bemerkt, da war er sicher, doch ihr Blick löste sich erst dann von diesem Punkt in unwägbarer Ferne, als er sich ihr gegenüber auf der Bank niederließ.
    »Was haben Sie für mich?«, fragte er und verfluchte sich gleich darauf für seine Überstürztheit. Dann dachte er, dass es vielleicht so besser war. Wenn er ihre Zeit mit seichtem Smalltalk verschwendete, würde er sie nur vergraulen.
    Er hörte sich an, was sie zu berichten hatte, und kritzelte eine Notiz, die er in seine Hemdtasche steckte. Schon begann sie die Bank hinaufzurutschen, die Rechnung für ihren Kaffee in der Hand.
    »Warten Sie.«
    Sie sah ihn überrascht an.
    »Wenn Sie noch nicht zu Abend gegessen haben … Ich dachte nur, ich meine, wir sind hier in einem Esslokal, ich komme gerade aus dem Büro und habe also noch nichts gegessen. Sie hatten vielleicht auch noch keine Gelegenheit …«
    Sie rutschte auf der Bank in die Ecke zurück, zog die Handtasche von ihrer Schulter und stellte sie neben sich. »Ich sollte wahrscheinlich was essen.«
    »Gut.« Er winkte der Kellnerin.
    »Was soll's sein?« Offensichtlich hatte die Kellnerin wie Katherine für Smalltalk nicht viel übrig.
    »Steak, medium, dazu Rühreier. Was ist mit Ihnen?«
    Sie wirkte ausgelaugt und müde. »Ich weiß nicht. Noch eine Tasse Kaffee, denke ich.«
    »Kommen Sie, Sie müssen etwas essen.«
    Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. Aber es schien auf einmal wichtig, dass sie etwas aß, bevor sie wieder in die Nacht aufbrach.
    »Also schön. Was muss ich essen?«
    War das ein Witz? Eine Herausforderung? Eine Art, ihm zu sagen, er könne sich verpissen?
    »Einen Burger und einen Schokoshake für die Dame.«
    Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Als er klein war, hatte seine Mutter ihn manchmal mit zu einer Eisdiele genommen, wo er sich einen Schokoladenmilchshake bestellen durfte. Dann saß er auf einem hohen Barhocker neben seiner Mutter und schlürfte seinen Shake durch einen Strohhalm, mit vor Kälte singenden Zähnen.
    Während sie auf das Essen warteten, stellte er ihr ein paar allgemeinere Fragen. Sie gab so vage Antworten, wie es die Grenze zur Unhöflichkeit gerade noch erlaubte, und löcherte ihn dann mit Fragen über den Fall.
    Die Kellnerin ließ einen großen Teller vor ihn gleiten und einen Burger und ein hohes Glas mit Schlagsahnehäubchen vor Katherine. Sie nahm ein paar Bissen zu sich und rührte halbherzig mit dem Strohhalm im Sahneschaum.
    Er hatte sich nicht die Zeit zum Mittagessen nehmen können und war etwas peinlich berührt, wie schnell der Berg Essen auf seinem Teller dahinschrumpfte. Aber er fühlte sich wohl, sein Magen gefüllt und warm.
    »Wollen Sie nicht mal probieren?« Er deutete auf ihren Shake.
    Sie zuckte die Achseln und nippte. Dann noch mal. Als er sein Rührei vollends verspeist hatte, war ihr Glas leer.
    »Möchten Sie noch einen?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Niemand schafft zwei Milchshakes«, sagte sie. »Das ist zu viel. Aber es war wirklich gut.« Sie lächelte ihn direkt an.

9
    Katherine fand auf ihrem Schreibtischstuhl die ACS-Fallakten von Craig Wadley und Jonathan Thomson vor, als sie am Morgen ins Büro kam. Diese Geschwindigkeit konnte nur das Resultat von Dianes Wirken hinter den Kulissen sein. Wieder setzte sie sich auf den Fußboden neben ihren Schreibtisch, diesmal mit einer Akte auf jeder Seite und einem linierten Block vor sich.
    Nach einer Weile zog sie den Block ins Querformat und entwarf eine Tabelle. Ganz nach links kam eine Zeitleiste, indem sie Daten untereinanderschrieb, dann legte sie drei vertikale Spalten an und trug in jede oben einen Namen ein. Die Spalte Shawan Castro würde vorerst leer bleiben, weil sie die Akte noch nicht hatte.
    Dann ging sie die Unterlagen erneut durch. Diesmal übertrug sie Ereignisse in die Tabelle. Als sie fertig war, starrte sie

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