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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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sie nicht mehr. Kein Anruf. Kein gar nichts. Wir haben nie wieder von ihr gehört. Scheiße, ich hasse diese Ehrenamtlichen.«
    »Wärst du lieber mit deinen Angehörigen einquartiert?«
    »Was?«
    »Vermisst du deinen Bruder und deine Schwester?«
    »Klar, schon, aber wissen Sie, das ist 'ne Menge Verantwortung. Ich hab sie praktisch bis jetzt großgezogen. Ich glaub, davon brauchte ich mal 'ne Pause.«
    »Wenn du das entscheiden dürftest, wärst du lieber hier oder zu Hause bei deinen Eltern?«
    Er lachte auf. »Meine Mama ist 'ne Crackhure. Wer nach ihr sucht, findet sie irgendwo auf dem Rücken oder auf den Knien im nächsten Crackschuppen. Mein Onkel ließ seine Kumpel uns Kinder ficken, wenn sie zwanzig Dollar hatten. Damit hat er sein Crack bezahlt. Mein Vater war noch keinen Tag nüchtern, solang ich lebe. Nee, ich bleib lieber im Wohnheim. Aber wenn Sie vor Gericht fordern, dass ich meine Familie verpfeif, dann sag ich dem Richter, Sie lügen. Mein Wort gegen Ihrs. Mein Onkel ist was anderes. Der ist mir scheißegal.«
    »Und was ist dein langfristiger Plan?«
    Er starrte sie ungläubig an. »Meine Sozialarbeiterin sagt immer, sie hat einen langfristigen Plan für mich. Entlassung in ein selbständiges Leben. Soll heißen, sie werfen mich auf die Straße, sobald das Gesetz sie lässt.«
    Er zappelte wieder nervös herum.
    »Hast du irgendeine Ahnung, wer Jonnie umgebracht hat?«
    Er ließ die sichelförmige Pizzarinde sinken, an der er geknabbert hatte. »Nein. Wenn, würd ich den selber aufschlitzen.« Er machte eine entsprechende Geste mit der Hand. »Sie sagen, wir sollen vorsichtig sein. Wir sollen nur in Gruppen rausgehen, mindestens zu zweit, und immer zusammenbleiben.«
    »Du bist aber allein rausgekommen.«
    »Mr. Jackson und ich, eigentlich wir alle, haben Sie da draußen sitzen sehen, da hab ich Mr. Jackson gesagt, dass ich mit Ihnen reden will. Er meinte okay, aber komm bald wieder.«
    So viel zu ihrer Qualität als verdeckte Ermittlerin. »Hör mal, Jose, was wolltest du mir denn nun eigentlich erzählen?«
    Eine Weile antwortete er nicht. Als er sprach, war jede Keckheit aus seiner Stimme verschwunden. »Jonnie hatte 'nen neuen Freund. In der letzten Zeit, bevor er verschwand. Ich weiß nicht, wer das war. Der Typ hat angerufen, und Jonnie ist nachts raus, um mit ihm abzuhängen. Ich muss jetzt los, nehmen Sie's nicht persönlich. Meine Jungs beobachten uns.«
    »Können wir uns später noch mal unterhalten?«
    Er zuckte die Achseln. »Das war alles, was ich weiß. Bis auf die Leere.«
    »Die Leere?«
    »Ja, Jonnie hat viel von der Leere geredet. Er meinte, Leere ist Form, und Form ist Leere.«
    »Was heißt Form?« Und was hat das mit Leere zu tun?
    Er zuckte wieder die Schultern. »Fragen Sie mich nicht. Jonnie redete ständig davon. Er meinte, es erklärt alles.«
    Der letzte Satz war mit Endgültigkeit gesprochen, als gäbe es nichts weiter, was zu diesem Thema gesagt werden könnte.
    »Sie lassen sich als meine Ehrenamtliche einsetzen und kommen mich abholen. Dann können wir reden.«
    »Okay, ich unterschreibe für dich als Ehrenamtliche.« Sie fragte sich, ob sie gerade verarscht wurde, ob Jose in ihr eine unerschöpfliche Quelle von Pizzas sah.
    »Okay dann, ich muss los.« Und er war aus dem Sitz und durch die Tür.
    Jetzt würde sie es endlich tun. Sie würde auspacken. Sie nahm ihr Schweizer Offiziersmesser, setzte sich auf den Hartholzfußboden und schlitzte das Paketband des nächsten Kartons auf. Sie konnte weder an der Form noch am Gewicht erkennen, was sich in dem unförmigen Bündel aus Zeitungspapier befand. Sie konnte sich nicht mal vorstellen, was darin sein könnte. Was es auch war, sie war die letzten Monate klargekommen, ohne es zu vermissen.
    Das Telefon klingelte. Sie wartete, bis der Anrufbeantworter ansprang.
    Als sie Mendrinos' Stimme hörte, stopfte sie das Bündel wieder in die Kiste und rannte zum Telefon.
    »Ich wollte Sie morgen anrufen«, unterbrach sie Mendrinos' Nachricht.
    »Ach, wirklich?« Da war ein Ton in seiner Stimme, den sie vorher noch nicht gehört hatte.
    »Ich habe keine schlagkräftigen Beweise ausgegraben, falls Sie das wissen wollten. Aber ich habe jemanden aufgetan, der vielleicht Informationen hat, die hilfreich sein könnten.«
    »Haben Sie diesen Jemand zufällig bei Ihrem Besuch im Gruppenhaus Watson & Green aufgetan?«
    Als sie begriff, was sie getan hatte, fiel ihr fast das Telefon aus der Hand. Sie hatte versprochen, nicht mehr

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