Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
Vom Netzwerk:
röteten sich, Tränen rannen über ihre runden Wangen. »Nein«, sagte sie, während ihr die Tränen aus den Augen liefen und sie sie mit einer Papierserviette abtupfte. »Er ist weg.«
    Katherine verspürte ein Aufwallen von Zorn. Was nützte das alles, die Statuen, der Weihrauch, die Kerzen, die ganze Kulisse?
    Sie saßen eine Weile schweigend da. Hesters Tränen versiegten schließlich. »Ein Lehrer trifft einen solchen Schüler vielleicht einmal im Leben«, sagte sie.
    »Wenn Jonathan Ihnen etwas bedeutete, warum haben Sie dann nicht versucht, ihn zu überzeugen, dass er die Schule weitermachen muss?«
    »Er sagte, er könne das nicht. Er könne nicht dort bleiben, während die Kids in seinem Heim, in seiner Gegend so ein Leben führen müssen. Es war nicht so, dass er glaubte, es nicht verdient zu haben. Es war eher so, dass er fand, dass es allen zusteht. Und er mochte es nicht annehmen, solange es nicht jeder kriegen konnte.«
    »Und was hat er erreicht, indem er hinschmiss?«
    Hester hob die Hände. »Wenn er auf Sie nicht gehört hat, wie kommen Sie dann auf die Idee, er hätte auf mich gehört? Ich weiß nur, dass er das Leiden gespürt hat und etwas dagegen unternehmen wollte. Ohne für sich in Anspruch zu nehmen, was andere um ihn herum nicht haben können.«
    »Dämlich, dämlich, dämlich.«
    »Ich weiß nur, dass er nichts haben wollte, was andere nicht bekommen.«
    »Aber was waren seine Pläne für die Zukunft?«
    Hester rückte näher an Katherine heran und legte ihre kurze dicke Hand auf Katherines dünne. Sie seufzte. »Ich weiß nicht, was er wollte.«
    »Ich auch nicht.«
    Ohne zu urteilen sagte Hester: »Ich weiß. In meiner Tradition sagen wir, ein Schüler braucht drei Lehrer. Den ersten, um ihn in die Arbeit einzuweihen, den zweiten, um ihn auf dem Weg voranzubringen, den dritten, um ihm zu helfen, Erleuchtung zu erlangen.«
    »Wollen Sie damit sagen, ich war einer seiner Lehrer? Ich glaube kaum, dass ich dafür geeignet bin.« Sie holte tief Luft. »Wozu sind Sie denn gut, wenn Sie das alles gar nicht wissen?« Sofort tat es ihr leid, das gesagt zu haben.
    Die andere Frau lächelte leicht und antwortete: »Ich nehme an, zu nichts.«
    Nach einer kurzen Stille stellte Katherine die Fragen, deretwegen sie hergekommen war.
    Hester hatte nicht die entfernteste Vorstellung, wo Jonathan seinen Mörder getroffen haben könnte. In den letzten Wochen vor seiner Ermordung war er nur noch selten im Zendo gewesen, sagte sie. Ihr Eindruck war, dass er etwas oder jemand anderes gefunden hatte.
    »Wollen Sie damit sagen, er hat einen neuen Lehrer gefunden? Woran erkennt man, dass man den richtigen Lehrer gefunden hat?«
    »Das ist natürlich das Knifflige dabei.« Sie versanken in weiterem angenehmem Schweigen.
    »Ich wünschte, ich hätte Ihre Zuversicht«, sagte Katherine schließlich, »oder könnte wenigstens an Karma glauben. Sie glauben doch an Karma, oder? Jonathan hatte das nicht verdient, und manchmal hab ich das Gefühl, ich explodiere gleich vor lauter Wut.«
    »Ich bin auch wütend. Ich versuche meine Wut zu transformieren, in meine Übungen und meine Lehren. Das schaffe ich natürlich nicht immer.« Hester lächelte schmerzlich.
    »Ich will nichts transformieren. Ich will der Polizei helfen, den Kerl zu kriegen, der das getan hat.«
    »Den Mörder fangen helfen, damit er nicht weitermorden kann, das ist lobenswert. Aber bitte, Katherine, lassen Sie sich nicht von diesem Zorn auffressen. Lassen Sie nicht zu, dass er noch mehr Leiden verursacht.«
    Katherine stand auf. Hester fragte nach den Plänen für die Beerdigung.
    »Ich habe noch nichts in die Wege geleitet. Sie halten seine Leiche im Leichenschauhaus fest. Ich habe erklärt, dass ich die Kosten trage. Sie versuchen noch, irgendwen von der Familie im Süden ausfindig zu machen. Wenn ich eine Trauerfeier organisieren kann, würden Sie dann sprechen?«
    »Das wäre eine Ehre.«
    Dann platzte es aus Katherine heraus. »Warum haben Sie einen Plastikdinosaurier auf Ihrem Altar?«
    »Wussten Sie, dass tibetische Mönche manchmal rituelle Gegenstände aus menschlichen Skelettteilen benutzen? So etwas wie eine Zeremonienschale aus einer Schädeldecke?«
    »Typisch Zen, eine Frage mit einer Frage zu beantworten. Nein, das wusste ich nicht, und es kommt mir sehr morbide vor. Aber dieser Dinosaurier war nie ein lebender Mensch.«
    »Nein. Aber die Dinosaurier haben hier gelebt, solange ihre Spezies existierte. Sie wussten nicht, wo sie herkamen.

Weitere Kostenlose Bücher