Die Farbe der Liebe
Frau hervor und tanzte Schritt für Schritt in die Mitte des Kreises. Sie war ungewöhnlich groß im Vergleich zu all den anderen Tänzern, die Oriole bisher beobachtet hatte, und von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Ihr atemberaubend dünnes Seidengewand floss um ihren Körper wie Wasser und schlug bei jeder ihrer Bewegungen glitzernde Wellen. Als sie die Stelle genau in der Mitte der Halle erreicht hatte, blieb sie stehen, grätschte die Beine und hob die Arme. Obwohl sich Falten durch ihr Gesicht zogen, war sie von unvergleichlicher Schönheit und wirkte gelassen und weise.
Das Streichquartett beendete sein Stück, blieb aber auf der Bühne sitzen.
Da öffnete sich auf der gegenüberliegenden Seite eine Tür, die Oriole bislang noch nicht bemerkt hatte, da sich ihr dunkles Holz kaum von der Steinwand abhob. Sechs Dienerinnen mit Augenmaske traten ein und eskortierten einen Mann von imposanter Statur. Selbst von ihrem entfernten Platz sah Oriole, wie reich seine Kleidung verziert war. Allerdings schienen die goldenen Tressen, der kostbare Stoff und die feine Schneiderarbeit nur angemessen für einen Mann mit derart edler Haltung. Auf der gepuderten Perücke über seinem von einem transparenten Tuch verhüllten Gesicht trug er eine Krone. Das ist Majestätsbeleidigung, schoss es Oriole durch den Kopf, nur der König darf eine Krone tragen. Doch dann sah sie, dass das schmale Rund nicht aus Gold oder einem anderen Edelmetall gefertigt war, sondern aus Holz. Mit den zart ineinander verwobenen weißen Blüten und Ranken glich der Reif eher einem heidnischen Kopfputz. Den Mann umgab eine Aura von Macht und Stärke, auch wenn sein Gesicht vor den Blicken verborgen war.
Er trat in die Mitte der Halle und baute sich vor der schwarz gekleideten Frau auf.
Gleichzeitig öffnete sich rundherum an der Wand eine Reihe kleinerer Türen. Zahlreiche Menschen strömten in die Halle und stellten sich im Kreis auf. Auch sie trugen elegante, prächtige Kleider. Oriole meinte, unter ihnen ihre Mutter und ihren Vater zu erkennen; sie wurde aber sogleich wieder von der Frau in Schwarz abgelenkt, die dem Mann die Hände auf die Schultern legte, als wollte sie ihn begrüßen oder segnen.
Auf dieses Signal hin gerieten die Dienerinnen, die ihn mit ihren Körpern abgeschirmt hatten, in Bewegung.
Zuerst stellte sich eines der Mädchen auf die Zehenspitzen, hob ehrfürchtig die Krone in die Höhe und hielt sie ihm über den Kopf, während ihm eine andere die gepuderte weiße Perücke abnahm. Dann setzte man ihm die Krone wieder auf. Sein Gesicht war und blieb währenddessen unter dem Tuch verborgen.
Die nächste Dienerin, die auf ihn zutrat, knöpfte ihm zuerst den Kragen auf und dann das Hemd. Eine andere zog es ihm aus, sodass ein wollenes Leibchen sichtbar wurde. Ein Raunen ging durch die Menge.
Wiederum eine andere Dienerin stellte sich vor ihn – zwischen ihn und die Frau in Schwarz –, kniete sich hin und schnürte ihm die Kniehosen auf. Feierlich zog sie sie ihm herunter, wobei unverzüglich sein mächtiger Schwanz hervorsprang. Oriole blieb das Herz stehen, und sie meinte, von den Gästen unten im Saal unterdrücktes Keuchen zu hören.
Der Mann zeigte keine Regung, als er sich von einer der ersten Dienerinnen das wollene Leibchen über den Kopf ziehen ließ. Bis auf seine kniehohen Stiefel, die so blitzblank poliert waren, dass sich darin fast schon die flackernden Fackeln in der Halle spiegelten, war er nun nackt.
Oriole schluckte schwer. Der Maître de Plaisir hatte nicht nur etwas Königliches, sondern auch etwas Animalisches, sogar Wildes an sich. Mit jeder Minute schlug Orioles Herz schneller.
Die Frau in Schwarz, die Ball-Maîtresse, klatschte in die Hände, und die Dienerinnen huschten fort.
Als sie auf den Mann zutrat, holten die Gäste im Raum hörbar Luft.
Die rothaarige Cellistin zog den Bogen mit sinnlichem Strich über die Saiten ihres Instruments, und ein tiefer melancholischer Ton hallte durch den Raum.
Die Maîtresse umfasste des Maîtres Schwanz, der sich auf der Stelle regte, steif wurde und zwischen ihren Fingern zu beängstigender Größe anwuchs.
Oriole konnte den Blick nicht von dem Paar abwenden.
Dann kniete die Frau in Schwarz sich hin und nahm ihn in den Mund.
Oriole schnappte nach Luft.
Da klopfte ihr jemand auf die Schulter. Oriole drehte sich um, obwohl sie von dem Schauspiel unten wie gefesselt war und eigentlich keinen einzigen Augenblick des Rituals verpassen wollte.
Es war der
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