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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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erinnerte ich mich an die Worte, wie sie im dunklen, höhlenartigen Mundloch der Maske widerhallten und bebten. In meinem Zustand konnte ich nicht mehr sagen, ob D. die Worte hörbar ausgesprochen hatte oder ob sie einfach in unseren Köpfen aufgetaucht waren.
    Laurel stupste ihren Kopf in meine Rippen wie ein Lamm; sie sagte nichts.
    »Warten, bis es Zeit ist, ins Bett zu gehen«, sagte Crunchy, und sie und Stitch lachten beide.
    Dann fuhr Stitch uns rauf in die Berge von Santa Monica. Der Fairlane hatte im Ausklappfenster auf der Fahrerseite einen eingebauten Suchscheinwerfer, und Stitch blendete damit ein paar entgegenkommende Autos, bis Crunchy ihr sagte, sie solle das lassen. »Du hetzt uns die Bullen auf den Hals«, sagte sie.
    Crunchy drehte uns noch einen, und vielleicht diesmal aus einem anderen Beutel, denn auf einmal war ich so stoned wie lange nicht mehr, als wäre es echtes Trip-Gras gewesen. Wir fuhren die Canyons rauf und runter. Es war spät, und wir sahen kein anderes Auto mehr. Stitch hielt an, parkte den Fairlane hinter einem Briefkasten und machte Motor und Licht aus. Der Wagen tickte, während er abkühlte. Er füllte sich mit einem einzigen Gedanken, den wir fünf gemeinsam hatten, und obwohl ich ihn nicht hätte aussprechen können, hatte ich das Gefühl, genau zu wissen, worum es ging.
    Crunchy stieg aus und ging die Einfahrt hoch. In ihren dunklen Klamotten konnten wir sie nicht mehr sehen, sobald sie ein paar Schritte von der Motorhaube entfernt war. Die Canyons waren düster, das Sternenlicht erreichte sie nicht. Crunchy verschwand in dieser pechschwarzen Finsternis, als wäre sie in eine Arterie injiziert worden. Doch nach ein paar Minuten bellte ein Hund los, und Crunchy kam zurück, bloß ein wenig schneller, als sie hochgegangen war.
    Stitch legte den Leerlauf ein und ließ den Wagen zurück auf die Straße rollen, ehe sie den Motor anließ. Sie fuhr etwa eine Viertelmeile, bevor sie die Scheinwerfer einschaltete. Ich hatte keine Ahnung mehr, wo wir waren, aber Stitch schien sich auszukennen. Das Wageninnere war irgendwie statisch aufgeladen; es kribbelte wie kurz vor dem Sex. Ich hatte jetzt eine Ahnung, wonach wir suchten, zum Beispiel nach einem Haus ohne Hund.
    Wir hielten erneut, Crunchy stieg aus, und diesmal kam sie eine ganze Zeit lang nicht zurück. Keiner sagte etwas, doch nach einer Weile legte Stitch langsam die Hand auf den Türgriff, und im selben Moment spürte ich eine Art Puls in meinem Kopf, als wäre ein Gedanke von Crunchy dort gelandet, bloß dass ich die seltsame Vorstellung hatte, dass dieser Gedanke in Wahrheit von D. gekommen war, von weit weg auf der Ranch. Als wäre er jetzt der Bauchredner für die Phantomstimme geworden, die ich manchmal kaum hörbar vernahm.
    Laurel setzte sich lautlos auf, flink und energisch. Wir waren alle barfuß. Der Asphalt auf der Einfahrt war noch immer leicht warm vom Tag.
    Angst, Aufregung, Angst, bloß unterschiedliche Wörter für ein und dasselbe. D. hatte in letzter Zeit viel darüber geredet, was Angst mit einem machen konnte. Es war, als würden wir alle auf Wahnsinnsdröhnungen aus Angst dahinsegeln, während wir schweigend hintereinander um die Biegung der Einfahrt gingen, bis zu der Stelle, wo Crunchy halb hinter einem Spalier versteckt wartete und die verputzte Hauswand beobachtete, die im Sternenlicht elfenbeinfarben glänzte.
    Eine Katze kam aus einem Schiebefenster, das einen Spaltbreit geöffnet war. Sie sprang herunter auf die geflieste Terrasse, landete auf allen vieren und starrte uns gleichgültig an, dann trottete sie davon und verschwand um die Hausecke.
    Crunchy flitzte zum Haus und ging unter dem Fenster in die Hocke. Mein Verstand registrierte ihre raschen, ruckartigen, roboterhaften Bewegungen, leicht und forsch wie die einer Eidechse. Sie glitt die Wand hoch und schob sich durch den Fensterspalt, aus dem die Katze gekommen war. Es gab kein anderes Wort dafür als gleiten.
    Im nächsten Moment hatte Creamy es ihr nachgemacht, und ich spürte einen Sog, ihnen zu folgen, als wären sie zwei Magneten, die mich mitzogen. Ich würde problemlos durch den Spalt passen, durch den sie geglitten waren, doch Laurel, die in den Hüften rundlicher und breiter war, würde da mehr Schwierigkeiten haben. Ein Gedanke hielt mich zurück. Stitchs leere Hand lag auf meinem Arm.
    Ein Stück weiter die Hauswand entlang ging eine Glastür auf, doch ich konnte niemanden dahinter sehen, bloß einen Schlitz aus farbloser Dunkelheit.

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