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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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und Summer und blinkende Lichter. Die Verheißung von Geld und nichts als Geld, dem hohlen Tauschmittel. Damit du dich verlocken lässt, alles andere vergisst außer der Verlockung.
    Das Schlimmste war, dass dort immer Weihnachten war. Alle mussten Weihnachtsmannmützen tragen und die Frauen rote Miniröcke mit weißem Kunstfellbesatz.
    Es gab auch Ratten in dem runden Raum, und zwar die mit vier Pfoten und schlangenartigem Schwanz. Ich meine, mich an eine zu erinnern, die rannte und rannte, mit der verbissenen Entschlossenheit eines Saalchefs, der seine Runden macht, aber ohne Sinn und Verstand, immer im Kreis an der Kante entlang, wo die runde Wand auf den Teppichboden traf. Ich weiß nicht genau. Damals kam ich gerade von langen, seltsamen Trips runter. Aber in meiner Erinnerung ist die Ratte real. Sie war nicht mit Op-Art-Grafiken bemalt, und sie trug keine Weihnachtsmannmütze oder Narrenkappe; sie hatte überhaupt nichts Anthropomorphes an sich. Eine gewöhnliche braune Ratte, Trägerin der Pest, in einer Falle, die so groß war, dass sie darin herumrennen konnte. Die Augen schwarze Nadelstiche ins Nichts; sie starrten erbarmungslos nach vorn, die unendliche Kurve entlang.
    Es gibt nur einen Weg hier heraus.
    Ich will damit sagen, dass keine Geschichte von Bedeutung ist. Nicht einmal unsere Erzählungen über die Götter. In zwei Milliarden Jahren wird die Sonne diese Welt zu Asche verbrannt haben. Ich will damit sagen, dass es nichts gibt als das hier. Hier. Nichts. Hier.

27
    Das schwarze Messer war unser Geheimnis und unser Schatz. Nie zeigten wir die Klinge unseren Eltern. Wir dachten, das Mom-Ding würde sie uns aus Angst, wir könnten uns verletzen, wegnehmen, und Dad würde sie als Rarität verkaufen wollen.
    Unser Fund kam von weit her, das war uns beiden klar. Terrell, normalerweise kein Büchermensch, ging in die Bibliothek und machte sich schlau. Der Stein stammte möglicherweise von einem Vulkan draußen im Westen, Sierra Nevada oder Medicine Lake. Spitzen und Klingen wie die, die wir gefunden hatten, waren auf dem ganzen Kontinent von Indianern getauscht worden. Aber Terrell stellte sich gern vor, dass unsere Klinge aus Südamerika kam. Dass sie vielleicht auf der Spitze einer Aztekenpyramide dazu verwendet worden war, ein lebendes, schlagendes menschliches Herz herauszuschneiden.
    Terrell schnitzte einen Griff aus dem Stumpf eines Hirschgeweihs, das er in der Mansarde über der Garage versteckt hatte. In der Bibliothek sah er sich Schaubilder an, die zeigten, wie die Indianer das gemacht hatten. Er brauchte lange, bis er eine schmale Nut in den gelben Knochen gefeilt hatte, dann band er die Klinge mit frischen, nassen Streifen Schweinedarm an den Schaft. Ich beobachtete ihn, studierte ihn, während er arbeitete. Eine Seltenheit, ihn so in etwas vertieft zu sehen. Dieselbe präzise, gebündelte Aufmerksamkeit hatte er auch, wenn er Fliegen die Flügel auszupfte. Oder mir Schmerzen zufügte, mit andächtiger und unbändiger Konzentration. Ich biss mir auf die Lippen und hielt die Steinklinge, während er es tat. Manchmal hatte ich hinterher einen haarfeinen Schnitt quer über den Handteller. Das half mir, den Schmerz anzunehmen und der Lust zu widerstehen, die mit dem Schmerz verbunden war.
    Klinge und Knochen waren perfekt ausbalanciert. Der knotige Bogen des Geweihs schien genau in meine Hand zu passen, der Handballen lag glatt an dem sich verbreiternden Endstück, das einst aus dem Schädel eines Hirschbullen gesprossen war. Terrell, der meist penibel auf seine Schätze achtete, teilte diese Waffe gleichberechtigt mit mir. Die Klinge war von einer glänzenden, glatten Schwärze, wie Glas, und wenn wir sie in einem bestimmten Winkel ins Licht hielten, sahen wir tief drinnen goldene Einsprengsel schweben, wie warme Sterne in einer fernen Galaxie.
    Eines Tages, als ich im Wald war, entdeckte ich die Katze in der Astgabel eines Baumes. Ausgeweidet, das Fell abgezogen, eine flache Katze, auf das schiere Profil ihrer selbst reduziert. Das Fell so trocken, dass es härter als Knochen geworden war. Die geschrumpfte Haut zog die Kiefer nach hinten und entblößte die Nadelzähne, sodass es aussah wie ein stummer Schrei.

28
    Ich malte mir Lippen und Fingernägel und Zehennägel schwarz an, schwarz gemischt mit einem Tropfen Blut, von dem nur ich wissen konnte. Ich zog ein kleines Schwarzes an und zehn Zentimeter hohe Stilettos mit Riemchen, die halb bis zum Knie hoch gewickelt wurden, und eng um den Hals

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