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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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Neben der Öffnung schienen in der dichten Schwärze des Glases schillernde Ölwirbel zu kreisen, aber vielleicht lag das daran, dass ich stoned war. Wir liefen geduckt auf den Spalt zu, glitten hindurch. Drinnen war alles dänisch modern, Glas und glatte Flächen und versetzte Ebenen. Wir krochen herum, hielten uns im Schatten und nah am Boden. Crunchy und Creamy konnten es am besten. Sie waren praktisch überhaupt nicht zu sehen, bis eine von ihnen den Kopf hob und erstarrte wie eine spähende Schlange.
    Angst ist der beste Freund des Menschen
. Ich konnte sie tief in der Kehle schmecken wie Blut. Mein Herz pochte wie eine Kesselpauke, als würde das Herz des ganzen VOLKES in uns und in mir schlagen. Wieso hören die das nicht? fragte ich mich, nur dass ich nicht wusste, wer
die
sein mochten, bis wir alle, eine nach der anderen, hinter Crunchy und Creamy in das Schlafzimmer gekrochen waren. Zwei schöne Menschen schliefen dort im Sternenlicht, das durch eine weitere halb geöffnete Glastür fiel. Ein zarter weißer Vorhang schwang leise im Luftzug. Sie schliefen nackt in zerwühlter, edel aussehender Bettwäsche. Der Mund des Mannes stand offen, er schnarchte leise. Die Brüste der Frau sahen in dem Licht aus wie Marmor. Sie erinnerte mich an Eerie, obwohl sie nicht wie Eerie aussah; es war einfach nur das gleiche unglaublich hohe Maß an Schönheit.
    Mit dem allerleisesten Klicken klappte Crunchys Buck-Messer auf, ein aufrechter Stachel in ihrer knochigen Hand.
Angst
. Sie würde sie aufwecken. Bestimmt würden sie aufwachen. Der Schatten des Messers lag auf dem Bauchnabel der Frau. Crunchys trockene Zunge schnellte vor und zurück wie die einer Schlange.
    »Fuh«, machte die Frau und bewegte sich leicht, ihre geschlossenen Augenlider flatterten. »Fuh ... Fußmatte.« Sie drehte sich um und schmiegte sich an ihren Geliebten, wühlte sich tiefer in den Schlaf.
    Laurel hatte eine Handvoll Löffel aus der Küche geholt und tauschte sie gegen einige Schmuckstücke aus, die auf der Kommode lagen. Aber wir klauten nicht richtig. Laurel legte den Schmuck dahin, wo sie die Löffel weggenommen hatte, Creamy füllte eine Cornflakes-Packung mit Trockenfutter für die Katze, und Stitch nahm ein Bild von der Wand und legte es auf den Couchtisch; dann stellte sie ein Buch vom Tisch auf den Nagel, an dem das Bild gehangen hatte.
    Wir glitten aus dem Haus. Als wir die Terrasse halb hinter uns hatten, pulsierte das Wort Fußmatte in meinem Kopf, und ich ging zurück und drehte die Fußmatte um, sodass das Wort
Welcome
verkehrt herum war.
    Stitch ließ den Wagen den Canyon hinunterrollen. Einen Moment lang fühlte es sich an, als würden wir aus einem Flugzeug fallen. Dann startete sie den Motor, indem sie die Kupplung kommen ließ, obwohl sie nur den Zündschlüssel hätte drehen müssen, und wir fingen alle gleichzeitig an zu lachen.
    »Fußmatte«, sagte Creamy in das wilde Gelächter hinein. »Fußmatte – das war echt gut, Mae.«
    In dem Moment konnte ich spüren, wie mein Kopf allmählich wieder zu mir zurückkam, sich von dem VOLK entfernte, und es war seltsam, dass ich das eigentlich nicht wollte.
    »Erzählt mir mal einer, was das alles sollte?« fragte ich.
    »Kraut und Rüben«, sagte Laurel, die noch immer lachte und die Nase krauszog, als ich sie umarmte, und wir beide spürten, wie die jähe Angst sich mit dem Namen veränderte, den wir dem Ganzen gaben.
    »Bloß ein bisschen«, kicherte Laurel. »Ein bisschen Kraut und Rüben am Morgen für die hübschen Schweinchen-Menschen.«

26
    Bis zu dem Tag, an dem die Türme fielen, hatte ich geglaubt, alle Götter wären tot. Jahrelang, jahrzehntelang war mein Kopf still. Nur manchmal, tief in der Wüste, die raunende Stimme von O.
    Gewiss, jetzt waren die Götter zurückgekehrt, in einem Sturm aus Feuer, Wut, Schrecken und Grauen. Aber dennoch, die Glocke meines Kopfes schwieg, pendelte ziellos über der Leere.
    In D. hatte einst ein Gott gelebt, doch der hatte ihn längst verlassen. Die zurückgebliebene Hülle lag gefesselt, unter D.s amtlichem Namen; dem eines Kleinkriminellen, eines Diebes und Zuhälters, eines Mörders aus der Ferne. Aus seinem eigenen Dasein hatte er nichts zu bieten als den gemeinsten sterblichen Wahnsinn.
    Das erste Kasino, in dem ich arbeitete, war ein runder Raum. Sobald sich die Tür hinter dir geschlossen hatte, war es nahezu unmöglich, wieder hinauszufinden, wenn du dich nicht auskanntest. Ein geschlossener, unendlicher Kreis, lauter Spiegel

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