Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
Vom Netzwerk:
Land. Scheiße.«
    Während er im Bad war, nahm ich die Rasierklinge vom Spiegel und schnitt mir ein rundes Smiley-Gesicht auf die dicke Sehne unterhalb der Stelle, wo der Kieferknochen an das rechte Ohr reicht. Es geriet ein bisschen verwackelt, die Fröhlichkeit des Smileys wirkte ziemlich angeschlagen, unsicher. Die Bluttränen aus den runden Augen machten die Sache auch nicht besser. Ich rieb ein bisschen Koks in die flachen Schnitte, um das Ganze etwas aufzumuntern.
    Pauley stand in der Badezimmertür, nackt und bereit. »Ach du Schande«, sagte er. »Mae, du machst mir Angst.«
    Ich drehte mich so, dass der Smiley ihn mit einer blutigen Kokainkruste anlächelte. »Für dich«, sagte ich. Oder vielleicht sagte ich auch:
Fick dich
.
    Hinterher, während Pauley unten ein neues Kleid kaufte, um jenes zu ersetzen, das er mir vom Leib gerissen hatte, lag ich mit gespreizten Beinen auf dem durchwühlten Bett und sah mir im Fernsehen die mit Druckbuchstaben adressierten Briefe und ihren weißen pudrigen Inhalt an. Als ein Werbespot anfing, machte ich den Fernseher aus und stieg aus dem Bett. Auf dem Spiegel lag noch Koks, aber ich wollte nicht mehr. Ich zog die Vorhänge an der schrägen schwarzen Glaswand zurück und blickte hinaus über den glitzernden Strip bis zum Rand der Wüste.
    Ich trug noch immer meine Schuhe, und als Pauley zurückkam, stellte ich einen davon auf den Bettrand und lächelte ihn mit beiden Gesichtern an, aber er warf mir nur die Designertüte zu.
    »Los, zieh dich an«, sagte er. »Ich will erst ins Kasino.«
    Das neue Kleid sah fast so aus wie das alte, nur teurer und besser verarbeitet. Ein Slip hätte sich darunter abgezeichnet, also trug ich keinen.
    Pauley hatte ein Roulette-System, nach dem er gern spielte. Ich versuchte gar nicht erst, es zu verstehen. Ich saß neben ihm, legte ein paar Jetons auf Rot, um auf Break-even zu spielen, nippte an den schwachen Drinks und tat mein Bestes, um überheblich und gelangweilt auszusehen. Das Gelangweiltsein ging von ganz allein. Pauley hatte das Koks aus meinem verwackelten Smiley-Gesicht geleckt, aber die Schnitte sonderten noch immer einzelne Blutströpfchen ab, und es machte Spaß, die Leute zusammenzucken zu sehen, wenn sie es bemerkten.
    In Pauleys Koks war eine Spur Heroin, wie mir klar wurde. Die Wirkung setzte erst richtig ein, als die des Koks abflaute. Ich dachte an Eerie, wie sie auf ihrer Bahre aus roten Mohnblumen lag, die Lider mit flachen Kupfermünzen beschwert, die O. so sanft, so traurig daraufgelegt hatte, Charon, der, gebückt und mit einer Kapuze, ihren steifen Leichnam schwerfällig über das tintige Wasser des Styx stakte.
    Pauley beschloss, dass die Roulette-Räder des Luxor alle kalt waren. Wir schlenderten zum Bellagio hinüber, wo wir zusahen, wie die Fontänen des Springbrunnens in dem bunten Licht wie Flammen nach oben schossen. Ich schob eine Hand in Pauleys Armbeuge, spürte das raue Leinen seines Jacketts. In solchen Momenten ging ich gern neben ihm. Pauleys Haar war schwarz gefärbt, sogar die Haare an seinem Bauch, vermutete ich, und manchmal musste er eine kleine blaue Pille nehmen, ehe wir loslegten. Sein Bart war echt, dicht und dunkel – und obwohl er sich noch rasiert hatte, ehe wir aus dem Zimmer gingen, hatten seine Wangen schon wieder einen bläulichen Schimmer, als wir das Kasino des Bellagio betraten.
    Dort war das Roulette-Rad besser geschmiert, schätze ich: Innerhalb von zehn Minuten gewann Pauley fast zehn Riesen. Euphorisch zog er mich in eine Kabine auf der Herrentoilette, wo wir uns noch mal eine Dröhnung aus dem Koksröhrchen reinzogen, das er umsichtigerweise eingesteckt hatte; dieselbe Speedball-Mischung, die auf dem Spiegel gewesen war. Ich zog mein neues Kleid hoch und vögelte ihn schnell, ehe wir wieder aus der Kabine gingen, vögelte ihn so hart, dass ich mir fast den linken Schuhabsatz abgebrochen hätte. Sein Mund klebte so fest auf meinem Smiley-Gesicht wie das Saugmaul eines Neunauges.
    Danach gingen wir zu einer Dinnershow, glaube ich, obwohl wir beide zu high waren, um etwas zu essen, und ich weiß auch nicht mehr, wer auftrat. Elvis-Imitatoren vielleicht, oder Siegfried und Roy, die von ihren Tigern gefressen wurden. Warum gab es eigentlich keine O.-Imitatoren, habe ich mich manchmal gefragt, andererseits weiß ich es wohl ...
    Wir machten eine Gondelfahrt, daran erinnere ich mich, zwischen den blauen und weißen Bögen des Venice Hotel. Behaglich in die tiefen Kissen gebettet,

Weitere Kostenlose Bücher