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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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stopfte. Wir nahmen beide einen Zug, und Laurel deckte die Pfeife ab und gab mir einen Kuss, ganz dicht neben meine Lippen. Wir hatten beide einen trockenen Mund vom Rauchen. Sie kramte eine Wasserflasche aus dem klammen, zerknautschten Laken und hielt sie gegen das Licht, um mir zu zeigen, dass sie leer war.
    Wir gingen zur Lodge, um Wasser zu trinken. Von D. keine Spur. Vielleicht war er in die Stadt gefahren, aber alle Fahrzeuge schienen da zu sein. Zwei Männer standen über das Innenleben eines Wagens gebeugt, Schraubenzieher und Schraubenschlüssel in den Händen.
    Die Sonne stand noch niedrig, erdrückte uns aber schon mit eiserner Wucht. War vielleicht doch keine gute Idee, sich so früh am Morgen zuzudröhnen. Ich hatte so viel Wasser getrunken, wie ich konnte, aber mein Mund fühlte sich noch immer wie ausgedörrt an.
    »Komm.« Laurel lächelte mich mit ihren rissigen Lippen an und nahm meine Hand. Ihr geheimnisvolles, wissendes Lächeln. »Ich weiß, was wir machen«, sagte sie.
    Ich ließ mich von ihr an Clives Hütte vorbeiführen und durch die halb zerfallene Westernkulisse. Eine Krötenechse saß auf den Stufen zum Saloon. Laurel tat so, als wollte sie sie schnappen, damit sie weghuschte, doch die Echse blinzelte sie bloß an und blähte ihren schlaffen Schlund auf.
    Auf dem Hang hinter der Kulisse wand sich ein Pfad an dem großen Felsen vorbei, an dem D. manchmal das VOLK versammelte, um uns seine Endzeit-Geschichten zu verkünden. Jetzt hockte eine Krähe oben auf dem Felsen, auf dem D. dann meist wie ein Schamane im Schneidersitz saß oder, wenn er in Fahrt kam, in engen Kreisen herumhüpfte und die Fäuste schüttelte. Ich war nie weiter gegangen als bis zu dieser Stelle, aber Laurel schien zu wissen, wo sie hinwollte. Eine Art Pfad führte zwischen den Kiefern nach oben und über einen Bergrutsch. Er war steil, und wegen des abgelaufenen Profils meiner Turnschuhe musste ich mich manchmal bücken und die Hände einsetzen, um über die Felsen zu klettern.
    Laurel hatte sich aus dem Haufen Gemeinschaftskleidung in der Lodge ein Paar grüne Flipflops gezogen. Beim Klettern riss eines der Riemchen ab; sie hielt die Latsche mit einem angewiderten Gesichtsausdruck hoch und schleuderte sie dann weg. Das Ding verfing sich im Ast einer Krüppelkiefer, und Laurel kletterte barfuß weiter, die intakte Gummilatsche in einer Hand.
    Vor ihr konnte ich die buschigen Wipfel von Washingtonpalmen sehen, die aus einer Felsspalte im Bergkamm aufragten. Ich blieb stehen und hielt das Gesicht in die feuchte Brise, die aus dieser Richtung kam. Es war jetzt kühler. Als ich nach hinten schaute, konnte ich tief unten an der Lodge Strichmännchen herumlaufen sehen. Der ferne Lärm eines Motors, der endlich angesprungen war, klang wie das Summen eines Insekts. Die ganze Szenerie schien sich vor meinen Augen zu wellen, eine Mischung aus Hitzeflimmern und der Wirkung des Haschs.
    Als ich Laurel einholte, hatte sie den anderen Flipflop fallen gelassen und stand barfuß auf einer Klippe, die Zehen um den Rand gekrümmt. In einen blauen Teich sechs Meter tiefer rauschten drei Wasserfälle, die sich stufenweise von rechts nach links die Felswand auf der anderen Seite hinaufzogen. Hier wuchsen die Palmen, die ich gesehen hatte, und ihre Wedel bebten hoch über uns. Es gab eine solche Fülle von Wasser, dass die Gischt uns noch auf der gegenüberliegenden Seite, wo wir standen, mit kühlen Tropfen besprühte.
    Laurel lächelte und berührte mit einem Finger meinen Handrücken. Mit zwei geschmeidigen Bewegungen entledigte sie sich ihrer Sachen und warf sich dann hinunter ins Wasser.
    In dem Tosen konnte ich nicht mal das Platschen hören. Ich zögerte, ehe ich hinterhersprang, aber Laurel schien das nicht zum ersten Mal zu machen, und jetzt konnte ich auch die Köpfe von zwei weiteren Schwimmern sehen, die sich dicht bei ihr durchs Wasser bewegten.
    Ich tauchte so tief ein, wie ich zuvor durch die leere Luft gefallen war, aber ich stieß nicht bis auf den Grund. Zuerst taten mir vor Kälte die Backenzähne weh. Unten im Saphirblau gab es ein ruhiges Zentrum, wie der Opiumkern des Haschs, das wir geraucht hatten. Ich öffnete die Augen unter Wasser und sah Laurels Beine wie Seegras auf der Linse aus verzerrtem Licht an der Oberfläche tanzen. Ich stieß nach oben und brach neben ihr an die Luft, keuchend und lachend; wie Laurel.
    Ich sah ihr beim Schwimmen zu. Ihre Bewegungen waren harmonisch, als hätte sie im Ferienlager

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