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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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Schwimmunterricht gehabt. Ich hätte es nicht mit ihr aufnehmen können, aber das machte mir nichts aus; es war schön anzuschauen. Nach einer kurzen Weile kraulte sie auf dem Rücken zu dem untersten Wasserfall und ließ sich das Wasser auf ihr nach oben gewandtes Gesicht rauschen. Ich paddelte rüber zu ihr und ruhte mich auf einem flachen Felsen aus. Laurel kam aus dem Wasser wie eine Meerjungfrau und setzte sich auf einen nassen Stein, die Beine unter sich gekreuzt. Ihre rechte Brust hob sich mit der Bewegung des Arms, als sie sich die Haare über eine Schulter legte.
    Das andere Paar war auf der gegenüberliegenden Seite des Teichs. Obwohl die Steine bestimmt rutschig waren, kletterten sie trittsicher und anmutig nach oben, bis sie einen Absatz unter dem mittleren Wasserfall erreichten. Dann wandten sie sich in unsere Richtung, sahen uns aber offenbar nicht.
    »Wow.« Laurel hob einen Finger an die Unterlippe. »Ich glaube, das ist O.«
    Erst da erkannte auch ich ihn; sein Gesicht war mir von Plattenhüllen und Plakaten vertraut. O. kam manchmal auf die Ranch, hatte ich gehört, aber das war das erste Mal, dass ich ihn sah. Angeblich hatte D. eine Zeit lang in O.s Haus in Malibu gelebt, mit einer früheren Gruppierung des VOLKES , aber das war vor Laurels Zeit gewesen – oder meiner.
    Für mich gewann O. seine Schönheit aus der Musik, aber ich konnte sehen, dass Laurel auch von seinem Aussehen hingerissen war. Und er war wohl wirklich ein attraktiver Mann oder Junge, mit seiner goldenen Haut, die er (wie manche behaupteten) einem schwarzen Vater zu verdanken hatte, und den dunklen Haarlocken, die ihm jetzt durch die Nässe glatt um die Schultern lagen. Aber an diesem Morgen war ich stärker von Eerie beeindruckt; ich glaube nicht, dass ich je einen so schönen sterblichen Körper gesehen habe.
    Sie nahmen uns so wenig wahr, als wären wir bloß zwei Fische im Teich, wir dagegen beobachteten sie, wie sie sich gemeinsam unter dem Wasserfall bewegten. Seine goldene Hand glitt über ihre elfenbeinweiße Hüfte zum Rücken, fuhr tiefer, und sie schienen einander mit dem Wasser zu liebkosen, das auf sie fiel. All ihre Bewegungen waren so zart und wunderbar langsam. Es war, als würde ihre Liebe auf mich und Laurel niederregnen und alle Stellen wässern, die trocken gewesen waren.

35
    »Zwei«, sagte ich, als Karl mich das nächste Mal fragte, wann ich Feierabend hätte. Es kam mir vor wie eine Ansage beim Poker, obwohl Karl nicht Poker spielte, soweit ich wusste. Seine gebräunte Gurgel hüpfte, als er die Information mit einem Schlucken verarbeitete. Ich hätte nicht sagen können, warum ich so handelte, aber schließlich müssen sich ja nur Sterbliche rechtfertigen.
    Ich schloss meinen Tisch um zwei Uhr morgens und ging nach draußen, wo ich im pastellfarbenen Licht der Neonröhren stand, die die Stufen vor dem Kasinoeingang umrandeten. Karl kam mit einem Corvette Cabrio um die Ecke gefahren, was nicht sonderlich überraschend war. Offenes Verdeck. Während wir zu ihm nach Hause fuhren, sah er mich immer wieder mit einem leisen Halblächeln an, als würde er mich durchschauen. Charlie Brown war zu einem fast unsichtbaren Muster aus weißen Linien an meinem Hals verblasst – die Schnitte waren ja nicht tief gewesen. Karl würde sie wieder auffrischen wollen, dachte ich, aber ich wusste noch nicht, ob ich es ihm erlauben würde.
    Trockener Wind wirbelte um den offenen Wagen und riss mir die Haare nach hinten. Eine Erinnerung überraschte mich: Terrell und ich in dem alten Pick-up mit Dreigangschaltung, den er als Sechzehnjähriger gekauft hatte. In mondhellen Nächten hatte er gern die Scheinwerfer und den Motor ausgemacht, und dann waren wir lautlos das letzte Straßenstück bis in unsere Einfahrt gerollt. Mir wurde klar, dass ich das, was ich mir von Karl erhofft hatte, was immer es sein mochte, wahrscheinlich nicht kriegen würde.
    Die Fahrt zu ihm nach Hause dauerte bloß zehn Minuten; eine Golf-Feriensiedlung für Rentner, ein Spinnennetz von kleinen Straßen, die sich um Grünflächen woben, reihenweise ziegelgedeckte Häuschen mit verputzten Fassaden in einem gelblichen Farbton, der bloß etwas stechender war als die Farbe der Wüste. Ein Tor glitt auf, um uns hereinzulassen, und die Corvette kreuzte durch den Irrgarten wie ein schlafwandelnder Hai.
    »Du musst zuerst aussteigen«, sagte Karl, während er mit seinem Transponder das Garagentor öffnete. Ich sah ihn fragend an, und er zeigte auf die dunkle

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