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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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Konzert beendet. Doch jetzt kam einer von den Felsen aus vorsichtig die Hasenfährte entlang, das Fell voll von klebrigen Wacholderkügelchen. Lauernd, immer wieder verharrend, um den Rücken zu krümmen und die Schnauze nach hinten zu recken. Dann drehte er die Ohren nach vorn, horchte und bewegte sich weiter vorwärts, mit federndem Gang und jetzt ganz auf die Oberfläche der Fährte konzentriert, obwohl ich nichts sah, woran er sich hätte anpirschen können, weder einen Hasen noch Eidechsen, Mäuse oder Eichhörnchen.
    Vielleicht konnte der Kojote mich unter meiner Kapuze aus Schatten sehen. Vielleicht konnte er das Blut riechen, das von meinem Herzen aus durch den langen Kreislauf floss.
    Ich stand auf, trat aus dem Schatten, machte mich groß. Der Kojote stockte, schlich mit gebeugten Läufen rückwärts, die Ohren flach an das Kopffell gelegt, die Augen im schwachen Licht der Sterne bleiche Kugeln aus Gelb.
    In dieser Nacht hatte ich das Gewehr nicht mitgenommen. Der Kojote und ich verharrten in einer reglosen Balance. Schließlich machte ich ein paar langsame Schritte rückwärts. Der Kojote blieb, wo er war.
    Ich wandte mich ab und ging weg, nicht schnell, ich spürte einen bleichen Fleck auf meinem Rücken, obwohl ich genau wusste, dass ein einzelner Kojote keinen ausgewachsenen Menschen angreifen würde, es sei denn, er war tollwütig, aber dieser hatte keine Anzeichen dafür gezeigt. Und selbst diese Möglichkeit machte mir nichts aus.
    Hinter mir das trockene Flüstern von Pfoten auf Sand, vielleicht. Ich schaute nach hinten, der Kojote war noch immer erstarrt. Oder wieder. Beim nächsten Mal hatte sich die Entfernung des Kojoten von dem Felsen möglicherweise leicht verändert. Doch er rührte sich nicht.
    Als ich mich noch einmal umdrehte, war ich eine Meile oder mehr gegangen und so nah an der Wohnwagensiedlung, dass ich in dem verschwommenen Lichtschein einzelne Punkte ausmachen konnte. Der Kojote kam jetzt auf meiner Spur hinter mir hergetrabt, aber in gebührendem Abstand.
    Ich ging langsam auf die künstlichen Lichter zu und dachte daran, wie die ersten wilden Hunde in die Lager gekommen sein mussten, aus was für Gründen auch immer, um sich den Menschen zu unterwerfen. Als ich die Lücke im Maschenzaun erreichte, war der Kojote nirgends zu sehen.
    Die runde offene Wunde der Leere …
    Ich war unachtsam und kratzte mir den Unterarm auf, als ich durch den Zaun kroch. Blut perlte hervor, und ich leckte es gedankenverloren ab, während ich die Holzstufen zu meiner Veranda hochstieg. Der sämige Salzgeschmack hinten in der Kehle. Ich war nicht hungrig, durstig, müde. Die Nacht würde noch Stunden dauern.
    Ich sprühte mir Desinfektionsmittel auf den Arm. Es brannte, aber ich spürte es kaum. Irgendwie lag auf einmal das schnurlose Telefon in meiner Hand. Zum zweiten Mal wählte ich die New Yorker Nummer.
    »Hallo …«
    …
    »Hallo?«
    Ah, ich sah sie vor mir. Ich musste mir nicht das Band anschauen. Auf den Knien, den Kopf nach hinten geworfen, schwere Brüste, die sich unter dem Stoff hoben, gekrümmte Finger, die in die glitzernde, von Staub erfüllte Luft griffen.
    »Mae.« Laurels Stimme bohrte sich in mein Ohr. »Mae?«
    Ich musste nie drei Mal raten, dachte ich. Wollte ich sagen. Doch meine Lippen waren versiegelt, als wären Kupfermünzen daraufgelegt worden, und auch meine Augen waren schwer unter dem Gewicht des Metalls.
    Ich kam erst lange Zeit später wieder zu mir, erwachte schließlich in sengendem Tageslicht, das Telefon noch in meiner schlaffen Hand, und die Roboterstimme riet mir,
Falls Sie einen Anruf tätigen möchten, bitte auflegen
.

34
    Das Klimpern von Laurels Perlenvorhang weckte mich. Ein trockener Wind von der Wüste her ließ die Schnüre beben. Er erstarb, und die Perlen verstummten. Ich beobachtete das Licht, das die Farben des Glases leuchten ließ. Es war noch früh, aber die Hitze nahm schon zu. Schweiß klebte die Innenseite meines Arms an Laurels Bauch; ich sah zu, wie er sich im Rhythmus ihres Atems hob und senkte.
    Als ich wieder in ihr Gesicht schaute, waren ihre Augen offen, aber noch immer schlaftrunken. Sie setzte sich jäh auf, warf ihr Haar zurück. Mit dem Handrücken schob sie die Perlen beiseite, stand dann einen Moment nackt im Türrahmen und blickte hinaus auf die Ebene. Dann angelte sie sich ein paar Klamotten aus dem Haufen auf dem Boden.
    »Heiß«, sagte Laurel. Ich nickte.
    Ich zog mich an, während Laurel ihre kleine Haschpfeife aus Metall

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