Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)
Garage, in der ein Tennisball an einem weißen Klebeband herabhing. Ich stieg aus, trat zurück und sah zu, wie er den Wagen vorsichtig hineinmanövrierte, bis der Tennisball zart die Vorderseite der Windschutzscheibe küsste. Dann verstand ich das Problem: Die Garage war so schmal, dass sich die Autotüren nicht auf beiden Seiten öffnen ließen. Karl war kräftig gebaut, und er stieg ungelenk aus, blieb dann stehen und sah von innen zu, wie das Tor herunterrollte und sich einen halben Zentimeter vor der hinteren Stoßstange schloss.
Wollte er mich etwa hier stehen lassen? Ich sah mich um; ein Licht leuchtete in einem Fenster weiter die Straße runter, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendein Bewohner dieser Siedlung einfach so in den frühen Morgenstunden an die Tür kommen würde. Ich bemerkte ein altes schwarzes Fahrrad, das auf der anderen Straßenseite an den Eingangsstufen eines Hauses lehnte. Ein Klicken ertönte, als Karl die Vordertür öffnete.
»Tut mir leid«, sagte er, als er mich hereinwinkte. Ich antwortete nicht.
Karl bot mir einen Drink an, ich lehnte ab. Er machte einen Schrank auf, goss sich einen Single Malt Scotch ein. Von hinten sah ich, dass seine breiten Schultern schon ein wenig erschlafften und dass sein Haar am Hinterkopf schütter wurde. Als er sich zu mir umdrehte, bemerkte ich, dass er rasch die oberen Knöpfe seines kurzärmeligen Hemdes geöffnet hatte.
»Auf …« Er kippte den Scotch runter, ohne den Toast zu beenden.
Wir sind nicht hier, um uns zu unterhalten, dachte ich, und Karl schien es irgendwie zu verstehen, denn er nickte, goss sich noch einen kleinen Drink ein, ging aus der Küche und öffnete die Schlafzimmertür. Er zog die Schuhe aus, wobei er den zweiten mit den bestrumpften Zehen abstreifte.
Ich ging durch die Schlafzimmertür. Karl trank seinen zweiten Scotch zur Hälfte aus und stellte das Glas behutsam auf die Glasplatte seiner Kommode. Zum ersten Mal fiel mir bei ihm ein schmaler heller Balken zwischen Haaransatz und dem gebräunten Gesicht auf. Offenbar trug er eine Mütze, wenn er die Corvette in der Wüstensonne fuhr.
»Na denn«, sagte er.
Mir kam ein seltsamer Gedanke: Was, wenn ich einen Kojoten in meinen Wohnwagen einladen würde und er tatsächlich käme? Karl beugte sich vor, um die Tagesdecke vom Bett zu ziehen. Er warf sie achtlos zu Boden.
»Mach das Licht aus«, sagte ich.
»Ich will dich sehen.« In seinen Augen war diese ermüdende sterbliche Gier.
Wenn ich ficke, dann im Dunkeln
.
Ich spürte sein Blut aufwallen, konnte es in dem Moment fühlen, bevor er sich auf mich stürzte, und ich dachte, ja, dafür bin ich hergekommen. Seine Hand griff gerade nach meiner Kehle, als sie plötzlich die Richtung wechselte und an seine linke Brust fasste. Er fiel hin, zuckte krampfartig wie ein abgestochenes Schwein, was mich verwunderte, weil kein Blut aus ihm herausspritzte. Er sackte gegen die Seite des Bettes, bewegte den Mund, ein stummes schwarzes Loch, und gestikulierte mit der anderen Hand Richtung Kommode.
In der oberen Schublade fand ich ein Tablettenröhrchen und gab es ihm, sah zu, wie er mit krallenden Fingern den Deckel abriss. Er legte sich eine Tablette auf die Zunge und starrte auf den restlichen Scotch in dem Glas, das außer Reichweite für ihn war. Ich hätte ihm Wasser bringen können, tat es aber nicht.
Das Fahrrad war nicht angekettet, es war zu wenig wert, um geklaut zu werden. Aber ich geriet durcheinander und fuhr in die falsche Richtung. Die vielen Sträßchen und Häuschen und die gepflegten Gärten und Obstbäume sahen sich so ähnlich, dass ich meinen Fehler erst erkannte, als ich schon in einem Bereich war, in dem noch mehr Häuser gebaut wurden. Ein Stapel zehn Meter langer Dattelpalmen lag auf einem Tieflader und wartete darauf, in die bröckelnden Löcher gesetzt zu werden, die bereits für sie gegraben worden waren, gleich neben der Schotterfläche des unfertigen Straßenabschnitts.
Ich fuhr entlang der gerundeten Außenmauer zurück, weil ich wusste, dass ich so irgendwann zu dem Einfahrtstor kommen musste. Als ich es schließlich erreichte, wurde mir klar, dass ich den Transponder aus Karls Auto hätte mitnehmen sollen. Ich war mir sicher, dass die Haustür hinter mir ins Schloss gefallen und auch die Garage verschlossen war. Geschlagene 45 Minuten musste ich warten, ehe das Tor sich öffnete, um ein anderes Auto hereinzulassen. Ich schlüpfte hindurch. Das Fahrrad hatte keine Gangschaltung und war
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