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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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von dem blassen Wüstenboden ab, aber nur, wenn jemand Ausschau hielt, und falls dem so war, dann blickte derjenige aus einem gut beleuchteten Bereich ins Dunkle.
    Schon bald hatte ich das hintere Ende meines Wohnwagens erreicht und konnte den FBI-Agenten sehen, der sich darin bewegte. Ja, er hatte mehr Lampen eingeschaltet, als ich per Zeitschaltuhr aktiviert hatte. Alle, genauer gesagt. Er stapfte herum, als fühlte er sich ganz wie zu Hause. Mir war, als hörte ich, wie seine Schritte die dünne Metallglocke des Wohnwagens zum Läuten brachten.
    Sie gingen oft paarweise auf die Jagd. Waren sie auch diesmal zu zweit? Ich sah nur einen. Er suchte nach irgendwas, gründlich, aber diskret. Wenn ich zurückgekommen wäre, nachdem er wieder gegangen war, hätte ich meinen Kram nicht auf dem Boden verteilt vorgefunden, keine aufgeschlitzten Kissen oder Matratzen. Nein. Jetzt blätterte er jedes Buch durch, ehe er es wieder an seinen Platz stellte. Wenn er fertig war, würde er sämtliche Behälter in meinem Kühlschrank befingert, jedes Teil in meinen Kleiderschubladen befummelt haben. Würde er in die LP-Alben von O. schauen? Kein Grund, warum er die sonderlich interessant finden sollte. Das war nie als Straftat gemeldet worden. Und doch –
streck die Hand aus und berühre jemanden
– war nicht auszuschließen, dass er inzwischen davon wusste.
    Und jetzt zog er die gläserne Schiebetür auf und trat auf die Veranda. Er hob den Kopf, sog schnuppernd die Luft ein, überlegte. Die kantige Kinnpartie schob sich nach vorn. Er war groß, bullig, hatte ein leicht militärisches Profil. Dünne Popelinjacke, Hemdkragen und Krawatte gelockert. Ich war zu weit weg und das Licht zu schwach, um seine Schuhe beurteilen zu können.
    Ich sah, dass sein Blick anfing, die Wüste abzusuchen. Er bewegte den Kopf langsam von rechts nach links. Dann wieder zurück, in demselben langsamen Tempo. Ich kniete im Schatten eines verholzten Wacholderbusches, aber er würde mich todsicher sehen, wenn sich auch nur ein Haar bewegte. Ein Zucken am Rande seines Gesichtsfeldes würde reichen. Er wusste, was er tat, und ich ebenso.
    In meinem Hals war ein Flattern. Konnte er das sehen? Nein, natürlich nicht. Ohne den Kopf zu bewegen, linste ich durch das Nachtsichtzielfernrohr. Es beruhigte mich, sein Bild in diesem wässrig grünen Kreis schwimmen zu sehen, der ihn scheinbar in sichere Entfernung rückte.
    Bloß eine mikroskopisch kleine Korrektur. Hatte er das registriert? Nein, er steckte sich nur eine Zigarette an. Glaube ich …
    Pffffttt
, machte das schallgedämpfte Gewehr. Wahrscheinlich hätte ich das nicht tun sollen, dachte ich. Er war ganz plötzlich und ohne einen Laut zusammengesackt, wie eine Marionette, wenn man die Fäden loslässt. Als keiner ihm zu Hilfe eilte, wusste ich, dass er allein war.

65
    Das süß träufelnde Murmeln von D.s Stimme. So leise, dass Crunchy und Creamy, die auf den Waschbetonstufen der Lodge saßen, es nicht hören konnten; dabei mussten sie es gar nicht hören. Ihre Köpfe fuhren gleichzeitig herum, ebenso Stitchs Kopf. Wie Kakerlakenfühler auf einen einzigen Gedanken ausgerichtet.
    Dann nahmen D.s Kobaltaugen mich ins Visier. Blaue Elektrizität flimmerte darin. Sein Haar sah weich aus. Weiblich. Jemand musste es kürzlich gewaschen haben. Er trug sein Fransenhemd, glaube ich, aber nicht die Mokassinboots.
    »Holt Laurel.« D. lächelte, fuhr mit den Augen über meinen Körper. Ich spürte, wie sich feine Körperhärchen überall widerwillig sträubten.
    »Nehmt Laurel mit«, sagte D. »Laurel sollte dabei sein. Das wird ihr helfen, ihr wisst schon …«
    Drüber hinwegzukommen.
    Ich senkte den Kopf. Nicht unterwürfig, sondern um unser Geheimnis zu wahren – das von Laurel und mir. D. war barfuß. Blasse, schmutzige Zehen, im Dreck gespreizt.
    Ich ging in Laurels Zimmer, um das Buck-Messer zu holen, das ich geschenkt bekommen hatte. Irgendwie wusste ich, dass wir für diesen Ausflug Klappmesser brauchen würden. Es würde mehr werden als normales Gleiten. Laurel setzte sich in dem zerwühlten Bett auf, harkte sich mit den Fingern die wilde Haarmähne nach hinten, beobachtete mich, wie ich das zugeklappte Messer in der Hand wog. Ihre grünen Augen wurden aufmerksam.
    »Wir machen eine Tour«, sagte ich und schob das Messer in meine Gesäßtasche. »D. will, dass wir beide mitfahren.«
    Gleich darauf schoben wir uns alle in den Fairlane. Creamy und Crunchy vorne neben Ted, ich und Laurel auf der Rückbank.

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