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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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Reichweite von Laurels Hand, aber ich ergriff sie nicht. Das war nicht nötig. Die schwarze Schlange Furcht wand sich dicht um unsere beiden Körper, band uns zusammen. Die Stimme von dem Felsen erfüllte unsere Schädel fast bis zum Bersten. Das ganze VOLK bewegte sich als Eins, das Tier von Armageddon. Seine Antwort brodelte aus den dunklen Mundlöchern wie das Knistern von Flammen in einer großen Feuersbrunst. Diese eine große Stimme übertönte jene flüchtigen, die mich früher manchmal gerufen hatten, oder vielleicht waren sie immer schon Teil dieser Stimme gewesen und nun zu einem einzigen strömenden Fluss vereint.
    Wenn diese Versammlungen endeten, wirkten die Männer müde und ein wenig beschämt; sie schlurften davon, in den Schutz der Gebäude, doch die Frauen kochten vor dunkler Energie und rannten durch die Dämmerung in die kahlen Berge, sangen weiter die Lieder, bis der Sinn aus ihnen herausfiel und nichts mehr blieb außer einem wortlosen Geheul. Manchmal, und vielleicht lag das daran, dass wir halluzinierten, trieben die Wüstenflächen saftiges Blattwerk hervor, sodass es schien, als bahnten wir uns einen wilden Weg durch einen nassen, berauschenden, fruchtbaren Dschungel, und am Ende ließen Laurel und ich die anderen immer weit hinter uns. Unsere nackten Fersen trommelten auf die Erde wie ein Zwillingsherzschlag, während wir einander hetzten, jede Jägerin und Gejagte zugleich, über den Fluss, der von den Wasserfällen wegströmte, und vorbei am verborgenen Mund von Teds Höhle in dem kahlen, steinigen Berghang, bis wir atemlos auf dem östlichen Kamm über dem Highway stehen blieben, Laurel mit wogender Brust, zerfetzte Lorbeerblätter noch immer in ihren Haarschlangen verfangen, und wie ich ausgesehen haben muss, das weiß ich nicht.
    Meilen unter uns konnten wir weiter die Stimmen der anderen hören, die sich durch die Arroyos wanden, mal abfielen, dann wieder lauter wurden, wie das Heulen von Aktaions Hunden, die ihren Herrn zerfleischen, nachdem Artemis ihn in einen Hirsch verwandelt hat. Laurel und ich waren über all dem und doch irgendwie noch umspült davon, bestrahlten einander, während wir auf das Aufgehen des Mondes warteten und damit rechneten, ihn blutgekrönt zu sehen.
    In anderen Nächten gab es keinen Mond. Städte und Siedlungen waren allesamt so weit entfernt, dass sie die Himmelskuppe nicht mit ihrem verschwendeten Licht besudeln konnten. Mondlos war die Nacht von satter samtschwarzer Farbe, als wären wir in Schokolade getaucht oder in den dunklen Blutstrom einer tiefen Vene.

64
    Ich entdeckte ein fremdes Auto auf meiner Straße, als ich in die Wohnwagensiedlung rollte. Ein Ford Taurus, der funkelnagelneu aussah. Vielleicht ein Mietwagen. Er parkte auf meinem Stammplatz, und er sah leer aus, als ich an ihm vorbeikam und weiterfuhr.
    Außerdem brannten Lampen im Wohnwagen. Und zwar in einer anderen Anordnung, als ich sie angelassen hatte, glaubte ich. Aber ich benutze Zeitschaltuhren, und manchmal ändere ich die Einstellungen. Ein gutes Abschreckungsmittel, sagt die hiesige Polizei, fast so gut wie ein Hund.
    Ich verließ die Wohnwagensiedlung wieder, steuerte den Wagen nach einer Viertelmeile über den Seitenstreifen, und noch während er über die niedrige Böschung holperte, stellte ich den Motor ab. Ich ließ ihn zwischen Mesquite- und Kreosotbüschen ausrollen. Ein Auto fuhr vorbei, dann ein weiteres, in entgegengesetzter Richtung. Die Scheinwerferkegel beider Fahrzeuge reichten nicht bis zu meinem.
    Die wissen bestimmt schon, was ich für ein Auto habe, dachte ich. Fabrikat und Modell, Kennzeichen, auffällige Beulen und alles.
    Ich tat mein Bestes, um möglichst leise zu sein, und bekam deshalb den Kofferraum nicht ganz zu, weil ich ihn nicht zuknallen wollte. Darum würde ich mich kümmern müssen, falls ich je zu diesem Auto zurückkam.
    Dann ging ich um die Umzäunung herum, hielt etwa zwanzig Schritt Abstand zum Drahtzaun. Die Drahtrauten schimmerten unregelmäßig in vereinzelten Lichtstreifen, die aus den Wohnwagenfenstern kamen oder von Fahrzeugen, die durch die Siedlung fuhren.
    Ich bewegte mich zögerlich, blieb immer wieder stehen, wie ein sich anschleichendes Tier, das hoffte ich zumindest. Oder wie nichts, ich hoffte, wie nichts zu wirken, ein schwarzer Rauch, der sich über der Ebene auflöste. Ich trug einen schwarzen Blazer, eine Hose, ein weißes Hemd und eine schmale Krawatte. Meine Normalkluft fürs Kasino. Das Schwarz hob sich bestimmt deutlich

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