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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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Handstrahler, den sie von den Fischern auf Käringön bekommen hatten, ertasteten sie sich, gebückt gegen die nächste Regenbö, ihren Weg zu den Baracken und weiter bis zu den Stufen, von wo aus Ole auf den Anleger hinunterleuchtete. Steile, kabbelige Wellen schwappten im Lichtkegel um den rostigen Steg. Er war nach wie vor verwaist. Und in Richtung Nordosten, von wo aus Askildsens Boot hätte kommen müssen, war nichts als schwarze See.
    »Sie sind jetzt eineinhalb Stunden überfällig«, flüsterte Lina, als Ole den Arm um sie legte. »Sie werden nicht kommen.«
    So gerne er sie getröstet und beruhigt hätte, Ole konnte ihr nicht widersprechen. Er empfand genau die gleiche Enttäuschung. Genau das gleich dumpfe Unbehagen.
    Wenn wenigstens das U-Boot kommt, dachte er. Das durften sie auf keinen Fall verpassen.
    »Lass uns zur anderen Seite rübergehen«, sagte er laut. »Wenn die anderen noch kommen, werden sie sicher direkt dorthin fahren, wo das U-Boot auftauchen soll.«
    Ole hatte sich die Stelle in der Karte angesehen, an der das tiefe, von Felsen reine Wasser fast bis an die Schäre heranreichte. Sie lag vor der nordwestlichen Spitze der Insel.
    Ole und Lina überquerten die gesamte Breite der Schäre und kauerten sich eng aneinandergeschmiegt in eine Senke der Felsen. Abermals konnten sie nichts anderes tun als warten, lauschen und in die Finsternis hinausstarren. Der Lichtfinger des Leuchtturms strich in steter Wiederkehr über das Meer und die umliegenden Felsen und schien mit ihnen Ausschau zu halten.
    Die Minuten krochen nur so dahin, und längst behielt Lina die Uhr, die sie zuvor noch in die Tasche zurückgesteckt hatte, in der Hand.
    Mehrmals fragten sie sich gegenseitig, ob sie alles richtig verstanden hatten, die Zeit, den Treffpunkt, nur um sich gegenseitig aufs Neue zu versichern, dass sie nichts anderes taten als das, was Askildsen und Lundegård ihnen aufgetragen hatten.
    Endlich wurde es zwei Uhr.
    Aber die Oberfläche der See blieb schwarz und unverändert, wenn man von den etwas helleren Feldern absah, über die der Regen hinwegging.
    Weitere Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah.
    Inzwischen war auch das U-Boot fünfzehn Minuten überfällig, und Ole glaubte nicht mehr daran, dass noch irgendetwas passieren würde. Dass weder Askildsen und seine Leute noch das U-Boot aufgetaucht waren, sprach eine eindeutige Sprache.
    »Vielleicht hatten sie Schwierigkeiten und haben die ganze Sache auf morgen Nacht verschoben? Vielleicht sollten wir dann einfach noch einmal herkommen?«
    Lina zuckte wortlos die Achseln. Ihr Blick war starr aufs Meer gerichtet.
    Auch Ole wusste, dass diese Idee unsinnig war. Wie sollten die Norweger auf ihrer gefährlichen Expedition im Grenzland mit einem U-Boot Kontakt aufnehmen, das zu diesem Zeitpunkt bereits irgendwo unter den deutschen Kriegsschiffen im Skagerrak hindurchtauchte? Nein, die Wahrheit war, dass Askildsen und seine Leute entweder aufgehalten oder gefangen genommen worden waren, und dass das U-Boot irgendwo dort draußen von einem deutschen Kriegsschiff geortet und mit Wasserbomben zum Abdrehen gezwungen worden war. Oder war es versenkt worden?
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Ole leise.
    Plötzlich griff Lina nach seinem Arm.
    »Luftblasen! Da! Das ist das U-Boot!«
    Gleichzeitig sprangen sie auf die Beine. Jetzt sah Ole es auch.
    In respektvollem Abstand zur Insel durchbrach erst ein schlanker schwarzer Turm, dann der Bug und danach das gesamte flache Deck eines U-Bootes die dunklen Wellen, einen Nebel fahlweißer Gischt von sich stoßend wie ein schnaufendes, urzeitliches Ungeheuer.
    Das Licht des Leuchtturms strich kurz über den schwarzen Leib und ließ seine Konturen hervortreten, dann verschwand er wieder in Dunkelheit und Regen.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich wieder etwas tat. Aber dann flammte drüben auf dem U-Boot ein starker Morsescheinwerfer auf und blitzte ihnen eine schnelle Abfolge von kurzen und langen Lichtsignalen zu.
    »Ein Erkennungszeichen!«, sagte Ole. »Wir müssen antworten!«
    Die Frage war nur: was? Einen schrecklichen Augenblick lang standen Ole und Lina da und konnten nichts anderes tun, als sich hilflos anzustarren.
    Die Lichtsignale des U-Bootes wiederholten sich, forderten ungeduldig eine Antwort ein.
    »Verdammt und zugenäht!«, fluchte Lina. »Wieso hat Askildsen das nicht mit uns besprochen?«
    Sie trat links neben Ole, und er konnte ihre Wut und Anspannung förmlich spüren.
    »Ist jetzt auch egal!«,

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