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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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90-Grad-Winkel fest zum Mast hin abgespannt werden. Zum Glück gab es an Bord der Lotten ausreichend Tampen und Schnüre. Das eigentliche Heben wollten sie über die Talje des Großbaumes bewältigen. Aber als sie mit vereinten Kräften daran zogen, bewegte sich der Mast kein Stück. Erst als Ole sich an Land unter die Mastspitze stemmte und Lina die Großschot über eine der beiden Genuawinschen kurbelte, gelang es ihnen.
    Nach fast vier Stunden Arbeit konnten sie schließlich Richtfest feiern. Dazu stießen sie mit zwei weiteren Gläsern Walfänger-Aquavit an.
    Rasch bohrte Ole danach das Loch für den zweiten Bolzen, während Lina die Wanten und das Vorstag befestigte, um den Mast gegen den inzwischen aufgekommenen Wind zu sichern.
    Obwohl die Brise kühl war und die Sonne längst hinter grauen Wolken verschwunden, waren sie inzwischen schweißgebadet. Auch die Schmerzen in Oles linkem Arm hatten sich mit unangenehmem Pulsieren zurückgemeldet. Die Verbände, die Lina um die Wunden gelegt hatte, waren ohnehin bereits den Aktivitäten der letzten Nacht zum Opfer gefallen, und jetzt hatte einer der Schnitte wieder leicht zu bluten begonnen.
    Daher legten sie eine längere Pause ein, und Lina kümmerte sich abermals um Oles Verletzung. Diesmal benutzte sie große Klebepflaster, die auf Oles Oberarmmuskeln ohnehin besser hielten als ein gewickelter Verband.
    Es war bereits später Nachmittag, als sie endlich weitermachten.
    Nur mit den beiden Felshaken als Arretierung würde der Mast unter Segeln keine drei Meilen weit halten, das wusste Ole. Noch war das ganze System zu instabil.
    Damit das Gewicht der Takelage nicht alleine auf den Bolzen lag, schlug Ole Keile in den Spalt zwischen den beiden Sägestellen. Dann schraubten sie weitere Kanthölzer als Manschette rund um die Zange und ihre improvisierte Schäftung und umwickelten alles stramm mit so viel Tau, wie auf der Lotten entbehrlich war. Zu guter Letzt verspannten sie die gesamte abenteuerliche Konstruktion mit den restlichen Stricken im 45-Grad-Winkel zu den Rüsteisen der Wanten an der Seite des Schiffes. Das würde zwar den Weg vom Cockpit auf das Vorschiff erschweren, brachte aber zusätzlich eine Menge an Stabilität in den Mast.
    Als sie endlich wieder die Segel anschlagen konnten, war der Nachmittag vorbei, und es hatte zu regnen begonnen.
    Sie setzten sich unter Deck und aßen etwas von dem Brot und dem Käse, die Askildsen ihnen mitgegeben hatte.
    Draußen begann der Wind in der Takelage zu heulen.
    »Das fehlte noch, dass es jetzt Sturm gibt«, sagte Lina. »Wo wir den Mast grade erst so schön repariert haben.«
    Ole zuckte die Achseln. Wie stark der Wind werden würde, hing davon ab, wie nah das Tiefdruckgebiet im Süden von ihnen nach Osten abzog und wie niedrig der Luftdruck in seinem Kern war. Das Barometer lieferte zwar eine Aussage darüber, wie es sich im Moment verhielt. Aber eine verlässliche Vorhersage war damit nicht zu treffen. Sie mussten es wohl oder übel darauf ankommen lassen.
    »Wenigstens kommt der Wind aus Osten«, murmelte Ole, der für ein paar Sekunden die Augen geschlossen hatte. »Bei ablandiger Richtung müssen wir uns keine Sorgen machen, dass es da draußen zu ruppig wird. Oder dass das U-Boot vielleicht wegen zu viel Wellengang nicht auftauchen kann.«
    Das Geräusch des Regens an Deck hatte eine verführerisch einschläfernde Wirkung.
    *
    Als Lina ihn weckte, lag draußen bereits ein fahles Dämmerlicht über den Schären.
    »Wie spät ist es?«, fragte Ole erschrocken.
    Eigentlich hatte er gar nicht schlafen wollen, aber die Knochenarbeit mit dem Mast und die sehr viel angenehmeren Anstrengungen der Nacht zuvor hatten ihren Tribut gefordert.
    »Halb neun«, antwortete sie lächelnd. »Zeit loszufahren.«
    Im Scherz schlug Lina beim Auslaufen vor, es doch noch einmal mit dem Motor zu versuchen. Aus unerklärlichen Gründen sprang das unverschämte, launische Ding diesmal beim zweiten Versuch an, und Ole konnte sich ein paar deftige Verwünschungen nicht verkneifen. Immerhin sparten sie es sich so, unter Segeln gegen den Wind aus der engen Bucht hinauskreuzen zu müssen.
    Die Väderö-Schären lagen gute sieben Meilen draußen vor der Küste und teilten sich in drei einzelne Inselgruppen auf. Die nördliche umlagerte die Hauptinsel mit dem bezeichnenden Namen Storö, große Insel, auf der es einen winzigen Nothafen und eine Lotsenstation gab. Eine weitere Gruppe lag in südöstlicher Richtung davon. Die Insel mit dem

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