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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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vergaßen, was sie hatten tun sollen. Es dauerte noch einen Moment, bis Elsbeth es ebenfalls bemerkte. Mit einem enttäuschten Schnaufen rollte sie sich von ihm herunter in den Sand.
    »Dann sind wir jetzt wohl quitt, wie?«, sagte sie bitter und zog sich die lose Bluse vor der Brust zusammen.
    »So’n Quatsch«, brummte er. »Mit der Sache in der Scheune hat das nix zu tun.«
    Obwohl Ole sich abwandte und in die Richtung blickte, in der er das Meer vermutete, wusste er, dass ihre bernsteinfarbenen Augen ihn fragend anstarrten. Sie wartete auf einen Grund. Ole schwieg.
    »Wie dumm von mir«, sagte sie brüsk. »Du hast eine andere. Ich hätte vorher fragen sollen.«
    Hastig knöpfte sie ihre Bluse zu.
    »Ich dachte, ich wäre was Besonderes für dich gewesen.«
    Ihre Stimme begann zu zittern, und bevor sie sich von ihm wegdrehte, sah Ole, dass ihr Tränen über das Gesicht liefen.
    Was sollte er ihr sagen? Er wusste es nicht.
    »Stattdessen weißt du nichts Besseres, als dich der erstbesten anderen an den Hals zu schmeißen, sowie du von der gottverfluchten Insel runter bist!«
    »Hör mal, Elsbeth«, sagte er behutsam und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Dieses andere Mädchen …«
    Hastig wehrte sie ihn ab.
    »Und ich Dummkopf habe auf dich gewartet!«
    Sie sprang auf und lief davon. Nach wenigen Sekunden war sie in der Dunkelheit verschwunden. Ole machte nicht den Versuch, ihr zu folgen.
    Was Nils wohl dazu zu sagen gehabt hätte? Ein handfestes Schäferstündchen sausen zu lassen wegen eines nutzlosen, längst abgelegten Traumes. Eines Traumes, der ohnehin niemals die geringste Aussicht gehabt hatte, Realität zu werden.
    Aber Ole war nicht Nils.
    Und eine einzige Sekunde seiner Erinnerung an Lina war ihm zehnmal kostbarer als alles, was sein Bruder in dieser Nacht erleben mochte.
    *
    Nach Mittsommer war das Wetter auf Südwest umgesprungen und feucht und windig geworden. Es dauerte noch eine Stunde bis zum Sonnenaufgang, und in der Norderaue, dem Seegatt zwischen Amrum, Föhr und Langeneß, stand eine unangenehme, kabbelige See. Ablaufendes Wasser, Wind gegen Tide. Aber der stäbige Fischkutter von Arne Storm wühlte sich scheinbar völlig unbeeindruckt durch die grauen Wellen. Das sonore Tackern der mächtigen Schwungscheibe des Dieselmotors klang beruhigend gleichmäßig und einschläfernd zugleich. Vor gut einer Stunde waren sie in Steenodde ausgelaufen, dem kleineren der beiden Fischerhäfen auf Amrum, und hatten seitdem kaum ein Wort gesprochen. Bis Dagebüll waren es noch gut zwei Stunden. Nils, der in dieser Situation vielleicht ein wenig für Unterhaltung gesorgt hätte, lag in seinen Ölmantel gerollt im Windschatten hinter dem Steuerhaus auf seinem Seesack und schlief tief und fest.
    Im fahlen Morgenlicht war die Sicht nicht eben zum Besten, zumal die Peilfeuer abgeschaltet waren. Aber Oles Vater kannte entlang dieser Strecke jede Tonne und jede Pricke mit Vornamen. Und Ole orientierte sich ohnehin auf seine eigene Weise. Das immer wiederkehrende Muster der heranrollenden Wellen verriet ihm, wo sie sich gerade befanden. Steil und kurz: Fahrwassermitte. Steil, aber etwas länger: Fahrwasserrand. Flach und lang auslaufend und von der Farbe her etwas gelber: der mit dem Wind fließende Neerstrom in der Mündung des Amrumtiefs oder eines der anderen Priele, die sie in nordöstlicher Richtung zu passieren hatten.
    Oles Vater angelte seine zerbeulte Emailletasse hinter dem Kompassgehäuse hervor und hielt sie ihm wortlos hin. Ole nahm die Blechkanne aus ihrem Lasching am Auspuffrohr, das hinter ihnen durch das Kajütdach stieg. Er schenkte ein, dann befestigte er die Kanne wieder und trank einen Schluck aus seiner eigenen Tasse. Erstaunlich, wie lange die Abgase der Maschine den Kaffee warm hielten. Nur bitter wurde er mit der Zeit. Verdammt bitter.
    Ole sah seinen Vater verstohlen von der Seite an. Im schwachen Schein der Kompassbeleuchtung und dem grauen Morgenlicht sahen die strengen Falten um seinen Mund noch tiefer aus und ließen ihn alt und verbraucht aussehen. Älter als die Sechzig, die er inzwischen tatsächlich war. Aber noch hielten Arne Storms schwielige Hände das Steuer sicher, und noch fuhr er jeden zweiten Tag, den Gott werden ließ, vor dem Morgengrauen zum Fischfang hinaus aufs Meer. So wie er es getan hatte, seit er zwölf war und das Handwerk von seinem Vater und dessen Vater gelernt hatte.
    Heute war eine Ausnahme. Nicht etwa, um seine beiden Söhne am Ende ihres Heimaturlaubes

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