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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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persönlich nach Dagebüll zur Eisenbahn zu bringen. Nicht, weil Nils und Ole dem Krieg und einem unsicheren Schicksal entgegenreisen würden. Nein, zu solchen Sentimentalitäten hätte er sich nie verstiegen. Er hatte großen Wert auf die Feststellung gelegt, dass er sie lediglich mitnehme, weil er ohnehin ein paar Bestellungen auf dem Festland abzuholen habe. Vierzig Meter Stellnetz, eine Rolle geteertes Grundtau und einen kleinen Kanonenofen für den nächsten Winter, der sein zugiges Schlafzimmer in der Mansarde des kleinen Reetdachhauses heizen sollte. Vor allem aber ein paar wichtige Ersatzteile für den Schiffsdiesel, und die waren ja in diesen Zeiten schwer genug zu bekommen, so dass man sie besser nicht allzu lange in irgendeinem Pappkarton in der Fährstation herumstehen lassen sollte.
    Nils hatte beim Frühstück eine perfekte Imitierung der väterlichen Begründung geliefert, natürlich erst nachdem der Alte bereits zum Kutter gegangen war, und Ole musste jetzt noch schmunzeln, wenn er daran dachte.
    »Brauchst gar nicht so dumm zu grienen«, brummte der Vater, der es in der Spiegelung der Scheibe bemerkt hatte. »Ich weiß Bescheid.«
    »Was meinst du?«
    Arne Storm machte eine unbestimmte Kopfbewegung durch die offene Schiebetür zum Achterdeck, wo Nils schlief.
    »Dass er zu den U-Booten geht!«
    Der Vater zog ebenso geräuschvoll wie missbilligend die Nase hoch und spuckte den Rotz durch die halboffene Tür in den Wind.
    »Er hat’s dir gesagt?«, fragte Ole erstaunt.
    »Das hat sich der Feigling nicht getraut«, knurrte der Vater. »Aber er konnte es sich nicht verkneifen, damit vor den Weibsleuten anzugeben. U-Boote! Wie kann einer nur so dämlich sein?«
    Es klang weniger wütend als resigniert. Jedenfalls nicht so, als sollte noch das große Donnerwetter folgen, vor dem Nils sich selber so bange gemacht hatte. Eine ganze Weile sagte keiner ein Wort. Erst als sie den dunklen, flachen Rücken von Langeneß querab an Steuerbord hatten und das Wasser merklich ruhiger wurde, meldete sich der Vater wieder brummend zu Wort.
    »Wenn sie dich einteilen auf dem neuen Schiff und sie geben dir die Chance, selber auszusuchen, dann nimm dir ’ne Station unter Deck, klar? Da will meistens keiner hin, weil du nichts sehen kannst und die ganzen verdammten Bazis, die neuerdings zur Marine kommen, da unten seekrank werden. Aber oben an Deck, da fliegen als Erstes die Splitter herum, wenn ihr einen Treffer kassiert!«
    Ole nickte. Er war ein wenig überrascht. Normalerweise war es nicht die Art seines Vaters, sich solche Gedanken zu machen. Und erst recht nicht, derartig viele Worte darüber zu verlieren.
    »Das Gleiche gilt für die Geschütztürme und die Brücke. Auf die wird immer zuerst gezielt. Kapiert?«
    Ole erinnerte sich, dass sein Vater im letzten Krieg ebenfalls zur See gefahren war und mehrere Gefechte erlebt hatte. Aber er sprach nie darüber. Dass er einmal im Skagerrak sogar versenkt und nur mit Glück überlebt hatte, wusste Ole nur von Tante Elfi in Kiel, die es ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt hatte. Was bei ihr allerdings nicht viel zu bedeuten hatte.
    »Übernimm mal«, brummte der Vater und zeigte auf das Steuerrad.
    Ole nahm das Ruder. Mit steifem Schritt das Rollen des Kutters ausgleichend, trat der Alte aus dem Steuerhaus und verschwand nach vorne zu dem Niedergang, der hinunter in die winzig kleine Vorpiek führte. Sie war kaum mehr als ein Lagerraum für Fischereigerät und Ölzeug, aber, abgesehen vom Steuerhaus, die einzige überdachte Kajüte auf dem Kutter.
    Nach wenigen Momenten war Arne Storm wieder da und drückte seinem Sohn wortlos einen in Wachstuch geschlagenen Gegenstand in die Hand. Ole übergab das Ruder und wickelte das Päckchen aus. Es war ein Taschenmesser mit gezackter Klinge und Marlspieker. Es schien sehr alt und viel benutzt, und als Segelmacher hatte Ole natürlich bereits ein Takelmesser. Aber dieses hier trug eine schöne, altmodisch geschnörkelte Gravur in dem schwarzen Horngriff. O. S. Seine Initialen.
    »Das O steht für Ove«, sagte Arne.
    Ove Storm. So hatte Oles Großvater geheißen.
    Ole erinnerte sich dunkel. Der Großvater war in einem Novembersturm über Bord gegangen, im dem Jahr, als Ole in die Schule gekommen war. Wie die meisten Fischer der Insel hatte er nicht schwimmen können und war sofort untergegangen. Erst drei Wochen später hatte die See die Leiche freigegeben und nahe Rantum an den Strand geworfen.
    »Hat immer steif und

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