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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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schien es die einzige Toilette auf dem ganzen verdammten Schiff zu sein, und ob die gelegentlichen Tropfen, die auf seine Koje fielen, Schwitzwasser waren oder Schlimmeres, das wagte Ole sich gar nicht erst vorzustellen. Überhaupt war die Schleswig-Holstein, wenn überhaupt möglich, unter Deck noch hässlicher als oben. Niedrig, mangelhaft beleuchtet und derart unübersichtlich angeordnet waren die Gänge, dass Ole sich in diesen ersten Tagen wohl ein Dutzend Mal verlaufen hatte. Und wie oft er sich in einem der Decks den Kopf angestoßen hatte, wusste er schon gar nicht mehr. Eine Lüftung schien auf der Schleswig-Holstein ebenfalls nicht zu existieren. Überall in ihren Eingeweiden stand derselbe feuchtmuffige Geruch nach Kombüse, Pumpklo und Dieselöl.
    Das Schlimmste von allem jedoch war, dass man Ole für den Decksdienst eingeteilt hatte. Anfänglich hatte er noch gehofft, er bekäme so vielleicht wenigstens hin und wieder ein paar Festmacher zu spleißen oder eine Persenning zu flicken. Aber schon nach der ersten Woche wusste er, worum es für einen Decksgast ausschließlich ging: Reinschiff und Rostklopfen. Besonders für Letzteres gab es auf der Schleswig-Holstein ja auch reichlich Bedarf.
    Im Gefechtsfall hatte die Decksmannschaft zudem die leichten, nur unzureichend gepanzerten MG’s an Oberdeck zu bemannen. Mit flauem Gefühl in der Magengegend sah Ole zu den Einschusslöchern mittschiffs. Einer seiner neuen Kameraden hatte ihm erzählt, dass bei dem Gefecht mit den britischen Verbänden acht Männer gefallen waren, sieben von ihnen aus der Deckscrew.
    Die Worte seines Vaters kamen ihm in den Sinn, sich nur ja eine Position unten im Schiff zu suchen, wenn man ihn fragte. Natürlich hatte man nicht gefragt. Man hatte ihn einfach eingeteilt mit den Worten, dass man auf einem kesselgetriebenen Schiff mit einem Segelmacher ohnehin nichts Besseres anzufangen wüsste.
    Die Reparaturarbeiten waren vollendet, und schon morgen sollte es zurück an die Nordfront gehen. Bergen oder Narvik, vielleicht auch Island. Etwas Genaueres hatte man ihnen nicht gesagt. Fest stand nur eins: Es würde ungemütlich werden. In jeder Beziehung. So passte das graue Regenwetter über Kiel bestens zu Oles trüben Zukunftsaussichten.
    An diesem Nachmittag standen noch Treibstoff- und Munitionsübernahme auf dem Dienstplan. Während vorne und achtern die großen Kaliber mit einem Kran an Deck und hinunter in die Munitionslasten gehoben wurden, mussten Ole und einige andere mittschiffs die schweren Holzkisten mit der MG- und Handfeuermunition Hand über Hand in die engen Lagerräume hinunterlassen. Jede verdammte Kiste einzeln. Vor dem rückenbrechenden Gewicht der Munition war Ole nicht bange. Aber die feuchte, finstere Enge der Munitionslast war ihm ein Graus. Und natürlich hatte ihn der Unteroffizier – es war der gleiche, der ihn seit der Sache mit dem Farbeimer als seinen »speziellen Kunden« betrachtete – ganz nach unten geschickt.
    Während er auf die nächste Kiste von oben wartete, versuchte Ole sich dadurch aufzuheitern, an andere unerfreuliche Arbeiten zu denken, die er schon einmal auf anderen Schiffen hatte tun müssen. Auf Knien ein Teakdeck schrubben oder ein verstopftes Pumpklo zerlegen und reinigen. Auf einem Zwölfer hatte er einmal geholfen, einhundert Quadratmeter zerrissenes und störrisch hin und her schlagendes Segeltuch einzufangen, nachdem bei sechs Windstärken das Großfall gebrochen war. Was für ein Kampf. Als sie das Segel endlich auf dem hin und her schlingernden Großbaum verzurrt hatten, war die Haut über Oles Knöcheln blutig gewesen und ein Fingernagel fehlte. Immerhin war er damals stolz gewesen. Von Stolz konnte hier an Bord keine Rede sein.
    Ein Fluchen von oben riss Ole zurück ins Hier und Jetzt. Gerade noch konnte er verhindern, dass ihn die Kiste, die dem Mann über ihm aus der Hand gerutscht war, an der Schulter erwischte. Mit ohrenbetäubendem Lärm ging sie neben ihm entzwei und ergoss ihren öligen Inhalt über die bereits gestapelten Kisten. Wehmütig dachte Ole an das Großsegel des Zwölfers. Er hätte nie für möglich gehalten, wie sehr ihm ein schnödes Stück Baumwolle mit ein paar Nähten, Kauschen und Reffbändseln würde fehlen können. Er schluckte. Verdammt, war das nun Schweiß, der ihn so in den Augen zwickte? Oder war es etwas anderes, das man besser möglichst schnell mit dem Handrücken wegwischte, bevor es jemand sah?
    Als gute eineinhalb Stunden später die letzte

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