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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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auf die andere Seite segeln.«
    Der Konteradmiral verstummte.
    Auf die andere Seite segeln? Mit einem Schaudern begann Ole die wahre Dimension dieser Parabel zu begreifen.
    Von Wellersdorff musste es in seinem Gesicht gelesen haben und nickte befriedigt.
    »Wenn das hier vorbei ist, werde ich dir alles erklären. Das verspreche ich dir. Aber einstweilen gilt: Je weniger du weißt, desto besser für dich.«
    Damit stand er auf und verschwand im Niedergang.
    Kurz nach seinem Gespräch mit dem Konteradmiral machte Ole sich auf den Weg, um Richard zu besuchen, den sie, so hatte ihm Meister Rausch erklärt, in seine Kammer gebracht und dort versorgt hatten. Ole hoffte, dass es dem Freund ebenfalls schon wieder besser ging, denn er verspürte das dringende Bedürfnis, einige Fragen mit ihm zu klären.
    Als Ole an Richards Tür klopfte, dauerte es eine Weile, bis der Freund »Herein!« rief.
    Richard lag auf der Koje und sah noch immer ziemlich blass und mitgenommen aus. Er hatte sich mehrere Rippen geprellt oder vielleicht auch gebrochen, die linke Hand verletzt und eine Platzwunde am Kopf davongetragen. Alles in allem hatte er mehr Glück als Verstand gehabt.
    »Wie geht’s dir?«, fragte Ole, als er eintrat.
    »Ist mir noch nie besser gegangen«, gab Richard zurück und verzog schmerzhaft das Gesicht, als er sich auf der Koje aufrichtete.
    Ole schloss die Türe hinter sich. Was er Richard fragen wollte, war nicht für fremde Ohren bestimmt.
    »Was ist los zwischen dir und von Wellersdorff?«
    »Wie meinst du das?«
    »Komm schon, das weißt du genau! Er hat dich alleine bei Sturm nach vorne in den Bug geschickt. Das war doch eine Strafe für irgendwas. Und jetzt komm nicht mit der Sache mit dem Dingi. Das war viel zu unwichtig!«
    Richard schien zu überlegen. Dann verzog sich sein Mund zu einem spöttischen Grinsen.
    »Ich weiß schon … Dafür, dass wir an eurer Stelle Weltmeister geworden sind!«
    »Jetzt bleib mal ernst!«, antwortete Ole. »Vielleicht hat es was mit deinem Vater zu tun und dem, was er in Berlin macht?«
    »Blödsinn!«, antwortete Richard, nun ebenfalls gereizt. »Mein Alter ist im Innenministerium und der Kon.Ad. bei der Marine. Was sollen die miteinander zu schaffen haben? Ich glaube, du hast zu viel Phantasie!«
    Ole kniff den Mund zusammen. Er war sich sicher, dass er sich die Feindschaft zwischen den beiden nicht bloß einbildete.
    »Aber es ist gut, dass du gekommen bist«, fuhr Richard fort. »Ich wollte sowieso mit dir reden.«
    Mühsam schwang er die Beine aus der Koje und streckte Ole die Hand hin.
    »Du hast mir das Leben gerettet, Storm, und ich bin dir zu Dank verpflichtet.«
    Ole war etwas irritiert über die Förmlichkeit dieser Geste, aber er ergriff die Hand und schüttelte sie.
    »Hätte jeder andere auch getan«, murmelte er.
    »Hör auf! Niemand wäre so bekloppt gewesen, selber über Bord zu springen und seinen eigenen Hals zu riskieren!«, entgegnete Richard entschieden. »Niemand außer dir! Ich … Ich werde das wieder gutmachen. Vielleicht sogar schon eher, als du denkst.«
    Ole runzelte die Stirn. Was hatte das zu bedeuten?
    »Du hast ja selber gesagt, dass mein Vater einigen Einfluss in Berlin hat. Ich werde ihm sagen …«
    »Das vergiss man schnell wieder!«, unterbrach ihn Ole, dem diese Wendung des Gespräches unangenehm zu werden begann. »Ich möchte nichts von deinem Vater! Und auch nicht von dir!«
    Richard schien Oles plötzliche Befangenheit zu spüren, und plötzlich war das alte, überhebliche Grinsen wieder da.
    »Na schön, du willst also, dass ich auf ewig in deiner Schuld bleibe. Du Schweinehund! Auch gut! Aber wenn du glaubst, dass ich dich deswegen bei der nächsten Regatta vorne durchsegeln lasse, dann hast du dich verdammt noch mal geschnitten. Kapiert?«
    Das klang schon eher wie der Richard, den er kannte.
    »Das wird wohl kaum notwendig sein«, sagte Ole und grinste zurück. »Das nächste Mal, wenn wir gegeneinander antreten, wirst du nur noch meine Heckwelle zu schmecken kriegen.«
    »Das werden wir sehen …«, entgegnete Richard.
    Damit streckte er Ole abermals die Hand hin, und dieses Mal sollte eine Wette damit besiegelt werden.
    »Der Verlierer zahlt!«
    Obwohl er den Preis nicht kannte, nickte Ole und schlug ein.
    Eine knappe Stunde später kamen die ersten flachen Schären südlich von Marstrand in Sicht. Grauschwarze Rücken steinerner Wale, die aus der See auftauchten, umzüngelt vom fahl leuchtenden Weiß der gegen sie anrennenden

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