Die Farbe der See (German Edition)
begrüßten die Gäste aus Deutschland überaus freundlich und luden den Konteradmiral und seine Crew für den Abend zu einem Bankett ein, das in einem Saal oben in der Festung stattfinden sollte. Von Wellersdorff nahm die Einladung höflich dankend an. Dann erkundigte er sich beiläufig, ob vielleicht noch weitere Gäste von außerhalb eingetroffen seien, aus Norwegen zum Beispiel. Er zeigte ein Stück den Fjord hinauf, wo eine kleinere, ziemlich heruntergekommen aussehende Segelyacht ankerte. Am Heck wehte eine norwegische Flagge.
Der Ortsvorsteher zuckte die Achseln. Die norwegische Yacht sei bereits gestern hier angekommen, aber von der Besatzung hatte bisher niemand etwas gesehen. Ole bemerkte den diskreten Blick, den Rausch und der Konteradmiral miteinander tauschten. Ohne Zweifel war dies das Schiff, das der Konteradmiral bereits auf Anholt zu treffen gehofft hatte.
Die Honoratioren verabschiedeten sich und ruderten gutgelaunt und scherzend zu ihrem Sommerfest zurück.
Auch die Kadetten waren in aufgeräumter Stimmung, hatte von Wellersdorff doch angekündigt, dass auch sie sich nach dem Reinschiff bis zum Abend in den Trubel an Land stürzen durften. Allerdings unter dem Versprechen, nichts zu trinken und sich anständig zu benehmen. Vor allem den Damen gegenüber. Ein Hinweis, der bei Karl und einigen anderen ein breites Grinsen hervorrief.
Kurze Zeit später ging die kleine Dampfbarkasse, die als Fähre zwischen den beiden Ortsteilen verkehrte, schnaufend und rußend an der Skagerrak längsseits, um die Crew an Land zu bringen. Mit dem Verweis auf das verloren gegangene Dingi hatte von Wellersdorff den Ortsvorsteher um diese Gefälligkeit gebeten.
Karl war der Erste, der auf die Fähre sprang. Auch Richard schien es sehr eilig zu haben, den stechenden Blicken des Konteradmirals zu entkommen. Ole hingegen zog es überhaupt nicht an Land. Ihm war weder nach einem Fest noch nach der lärmenden Ausgelassenheit seiner Kameraden zumute. Am liebsten hätte er sich einfach in der Vorpiek auf seiner Koje zusammengerollt und eine Mütze voll Schlaf nachgeholt, die ihm nach der letzten Nacht noch zu fehlen schien.
Also ging er unter Deck, um den Konteradmiral um Erlaubnis hierfür zu bitten. Doch gerade als er an die Kammer klopfte und, wie üblich, sofort eintreten wollte, packte ihn eine schwere Hand und zog ihn von der Türe weg.
»Halthalthalt!«, sagte Rausch, der urplötzlich hinter ihm aufgetaucht war. »Was willst du da drin, Junge?«
»Den Konteradmiral fragen, ob ich an Bord bleiben kann«, antwortet Ole etwas irritiert.
Rausch schüttelte den Kopf und schob ihn unmissverständlich zum Niedergang zurück. »Das wird nichts. Alle müssen an Land. Auch du!«
Nach einem Moment verstand Ole und nickte gehorsam. Natürlich mussten von Wellersdorff und Rausch bei ihrem geheimen Treffen mit der Besatzung des norwegischen Schiffes ungestört sein.
An Land angekommen, hatte Ole schnell alle seine Kameraden aus den Augen verloren. Lustlos schob er sich durch das Festgetümmel auf der Uferpromenade, vorbei an Schaubuden und Gauklern, dem Tanzboden, wo eine Folkloretruppe zur Musik im Kreis wirbelte, weiter entlang an bunt geschmückten Bierschänken und Imbissständen voller Süßwerk oder dem traditionellen schwedischen Smørgasbrod.
Überall, wo er hinkam, wurde er neugierig betrachtet, und mehrmals wurde er in freundlich klingendem Schwedisch eingeladen, sich doch an einen der Tische zu gesellen und diese oder jene Leckerei zu probieren. Aber mehr als ein höfliches Lächeln und ein Kopfschütteln brachte er nicht zustande.
»Ole! Mensch, komm her!«, hörte er plötzlich eine laute Stimme mit breitem rheinländischem Akzent rufen. Es war Karl, der rotgesichtig, verschwitzt und das Uniformhemd halb aus der Hose hängend, mit einigen anderen aus der Crew an einem Haut-den-Lukas stand. Offensichtlich waren sie in einem hemdsärmeligen Wettstreit mit ein paar jüngeren Schweden begriffen, bei dem es weniger um die angezeigte Schlagkraft ging als um den Schlag, den man sich dadurch bei einer kichernden Gruppe Mädchen erhoffte.
So viel zu von Wellersdorffs Mahnung, sich höflich und zurückhaltend zu benehmen, dachte Ole.
»Was ist jetzt, Ole?«, rief Karl ungeduldig und zeigte auf den schweren Holzhammer. »Du bist der Nächste! Zeig den Mädels, was ein Pfund ist!«
Ole hob abwehrend die Hand und verschwand, so schnell es ging, im Gedränge.
Hinter einer Biegung der Uferpromenade wurde es merklich
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