Die Farbe der See (German Edition)
Augen unter die Wasseroberfläche tauchen konnte. Das Funkgerät hatte ein matt silbernes Gehäuse gehabt. Tatsächlich! Dort, am äußersten Ende des Lichtstrahls, lag ein großer, heller Gegenstand.
Er tauchte wieder auf und holte Luft.
»Ist es das?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Wenn wir Glück haben …«
Ole öffnete den Rucksack, nahm eine der Leinen und den kleinen Anker hervor und knotete beides aneinander. Das Funkgerät hatte an der Vorderseite zwei Metallbügel. An diesen wollte er ihn einhaken.
»Wenn ich an der Leine ziehe, musst du stramm halten. Sonst löst er sich wieder«, erklärte er. »Hochziehen können wir ihn dann gemeinsam.«
Lina nickte, nahm das Ende der Leine entgegen, und Ole machte sich bereit, um über die Kante des Bootes zu steigen.
Plötzlich ließ ein Geräusch ihn innehalten.
Ein Husten, dann Schritte!
Sofort löschte Lina die Lampe. Ole zog das Boot tiefer unter den Steg.
Wenige Augenblicke später hörten sie die Schritte über den Steg kommen. Eine andere Taschenlampe flammte auf. Ihr Licht fiel durch die Ritzen zwischen den Bohlen unter den Steg und kam stetig näher.
Ole und Lina tauschten einen erschrockenen Blick.
»Ins Wasser!«, flüsterte Lina.
Geräuschlos verschwand sie über Bord. Ole warf den schwarzen Ölmantel über seine Kleidung und den Rucksack und folgte ihr.
Das Wasser war eiskalt. Als er auftauchte, musste sich Ole zwingen, nicht laut nach Luft zu japsen.
Nur Sekunden später blieben die Schritte über ihnen stehen, und das Licht der Taschenlampe erfasste das Boot.
Ole merkte, wie Lina neben ihm strampelte, um den Kopf über Wasser zu halten. Natürlich. Sie trug ja noch alle ihre Kleider, die Schuhe und das schwere Ölzeug, das sie unweigerlich nach unten ziehen musste. Ole umklammerte den Dalben der Stegkonstruktion und zog Lina zu sich herüber. Sie legte den Arm um seine Schultern und hielt sich an ihm über Wasser. So harrten sie reglos aus.
Der Mann über ihnen fluchte leise, ließ sich schnaufend auf alle viere nieder, und leuchtete mit der Lampe über die Kante des Steges. Ole und Lina tauchten hastig unter. Der Lichtkegel strich über sie hinweg.
Erst als ihnen die Luft knapp zu werden drohte, wanderte der Schein der Lampe ein Stückchen weiter nach vorne, so dass sie es wagen konnten, wieder aufzutauchen.
Auf dem Bauch liegend und mit langem Arm versuchte der Mann scheinbar, nach der Vorleine des Bootes zu angeln. Zum Glück hatte Lina die Leine nicht oben auf dem Steg belegt, sondern hier unten um den nächsten Dalben geschlungen. Sonst hätte er ihnen das Boot wegziehen können und zumindest ihre Sachen entdeckt. Spätestens bei der Pistole im Rucksack hätte er dann Alarm schlagen müssen.
Ole vermutete, dass der Mann der Werftbesitzer war, der gesehen haben musste, dass das Ruderboot nicht dort lag, wo es hingehörte. Abermals begann er zu schimpfen, als er erkannte, dass sein Arm zu kurz war. Auf diese Weise kam er weder an die Leine heran, noch konnte er das unter dem Steg liegende Boot heranziehen, um einsteigen zu können. Mit einem letzten Fluch gab er schließlich auf, erhob sich, und der Lichtkegel seiner Lampe wanderte über den Steg zurück in Richtung Land.
»Hoffentlich holt er jetzt nicht einen Bootshaken oder so was«, flüsterte Lina dicht hinter Ole.
Geschlagene zwei Minuten hingen sie noch nebeneinander im kalten Wasser und warteten. Aber der Mann kehrte nicht zurück.
»Zieh dein Ölzeug aus, und die Strickjacke. Sonst schaffst du’s nicht ins Boot«, sagte Ole.
Er half ihr, sich von den beiden vollgesogenen Jacken zu befreien und bugsierte diese über die Kante ins Boot. Dann gab er ihr mit seinem freien Arm Halt, damit sie sich an ihm hinauf aus dem Wasser ziehen konnte. Eine süße Sekunde lang spürte er sie dabei sehr deutlich auf seiner nackten Haut, und als sie über ihm ins Boot kletterte, konnte er die nahezu perfekten Formen ihres Hinterteils und ihrer Brüste sehen, die von ihrem dünnen, eng und nass an ihr klebenden Sommerkleid mehr betont als verborgen wurden.
Eine Spur zu hastig, als dass sie seine Blicke nicht bemerkt haben könnte, reichte sie ihm den Anker und das Seil hinunter, und einen Augenblick später, als sie die Lampe über dem Wasser anknipste, hatte sie bereits Oles trockene Ölzeugjacke angezogen.
Rasch steckte Ole den Kopf unter die Oberfläche und versuchte, in der Dunkelheit unter sich die Stelle wiederzufinden, an der er den hellen Gegenstand gesehen hatte.
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