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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Zelt, meins ist zu klein für uns beide. Wir werden eins kaufen und noch ein paar bessere Kochtöpfe und …«
    »Ich soll für dich kochen? Ist das alles?«
    »Es wäre eine große Hilfe. Ich war halb verhungert … Vielleicht wendet sich ja mein Glück, wenn ich kräftiger bin …?«
    Sollte er ihr auch von den Buschratten erzählen? Vielleicht müsste er nur schildern, wie die Ratten ständig und überall auf dem Claim herumhuschten, herumwühlten und manchmal sogar ins Zelt eindrangen, wie sie beißen konnten, wie sie quiekten und sich paarten; dass man sie schoss, um sie zu essen, und die Häute in den Fluss warf. Vielleicht müsste er ihr das einfach nur vor Augen führen, und dann würde Harriet beschließen, besser nicht nach Kokatahi zu reisen.
    »Ich habe nichts gegen Kochen«, sagte Harriet. »Aber lässt du mich denn nicht auch nach Gold suchen?«
    »Es gibt kein Gold!«, platzte Joseph so laut heraus, dass viele Neuankömmlinge ihre Hafergrütze vergaßen und sich nach ihm umdrehten und um ihren Tisch herum alles in schockiertes Schweigen fiel.
    »Er meint nur, dass er auf seinem Claim noch kein Gold gefunden hat«, sagte Harriet und wandte sich dabei höflich an die Männer. »Ich glaube, das sagte auch Mr McConnell einen Tag, bevor er seinen fabelhaften Fund machte.«
    So vieles ist wieder ungesagt geblieben, dachte Harriet, als sie mit Joseph aufbrach, um die Einkäufe in Hokitika zu erledigen. Die Distanz zwischen Joseph und mir ist unüberbrückbar geworden …
    Doch jetzt stellte sie fest, dass nichts mehr sie drängte, diese Distanz zu überbrücken. Ihre Neugier auf Joseph war erloschen. Alles voneinander zu wissen ist die reine Hölle, dachte sie, unddie Ehe ein elender Zustand, wenn das dazugehört. Welche menschliche Seele sieht denn nicht hässlich aus, wenn sie völlig entblößt daliegt – ihre eigene eingeschlossen? Welche albernen gesellschaftlichen Konventionen schreiben denn vor, dass Männer und Frauen (trotz aller Unterschiedlichkeit, was ihre Natur und ihre Wahrnehmung der Welt betraf) eins sein sollten?
    Lass gut sein . So hatte einst Roderick Blackstones flehentliche Bitte gelautet, und wie Recht hatte er gehabt, sie immer wieder zu äußern! Ihr war die Geschichte mit den zerknüllten Schonüberzügen noch gut in Erinnerung, und jetzt kam sie Harriet wie die Szene in einer Tragödie vor.
    Es war ihr eine Freude, ein eigenes Zelt zu kaufen. Und plötzlich schoss ihr durch den Kopf, mit einem Zelt und Josephs Pistole, dazu ein paar elementaren Vorräten und natürlich mit Lady an ihrer Seite könnte sie gehen, wohin immer sie wollte. Und während sie das Zelt und eine scharlachrote Decke bezahlte, die weich und warm zugleich schien, fasste sie den Entschluss, sich nur kurz in Kokatahi aufzuhalten. Sie würde Joseph schon bald verlassen. Und dann würde sie sich an den Auftrag machen, den Edwin Orchard ihr anvertraut hatte: Sie würde Pare suchen. Und sie wusste, dass diese Suche sie in die Berge und, von der anderen Seite her, in jenes düstere Schattental führen würde, vor dem sie damals zurückgewichen war.

DRITTER TEIL

Z UM W ASSERFALL
I
    Sie war ein Kuriosum in Kokatahi – genauso, wie sie auf dem Fuhrweg zum Hurunui ein Kuriosum gewesen war.
    Auf der ganzen Strecke von Kaniere den Fluss hinauf hatten die Goldgräber Harriet angestarrt. Alle, die den Einzelgänger Joseph kannten, stellten zwei Vermutungen an, die beide falsch waren. Sie meinten, er sei deshalb trübsinnig geworden, weil er sie so vermisst hatte – diese hoch gewachsene, fast schöne Frau mit dem herausfordernden Blick und dem kurz geschnittenen Haar; und sie meinten, mit ihr an seiner Seite erhoffe er sich endlich eine Glückssträhne.
    Doch als sie sahen, wie Harriet in einigem Abstand von seinem Zelt ihr eigenes aufbaute, verfielen sie wieder in ihr altes Getuschel und Gekicher. Sie nannten ihn einen »komischen Kauz«, eine »exzentrische Buschratte«. Einige hatten Gerüchte über den Jungen gehört, der eine Weile mit ihm zusammen gewesen war. »Jetzt hat er weder Fisch noch Fleisch«, witzelten sie.
    Harriet stellte ihr Zelt auf einen schmalen Streifen mit grünem Gras direkt an der Grenze zu Josephs Claim, so weit wie möglich entfernt vom Fluss und mit dem Buschland im Rücken. Über dem ganzen Gelände mit seinen Abraumhügeln hing der Gestank von menschlichem Müll. Als wäre die Erde explodiert und hätte allen möglichen Dreck in die Gegend geschleudert.
    An zwei Seiten war das Zelt von

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