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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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hätte ihr gern mitgeteilt, zwischen ihnen sei alles zu Ende und er sei erleichtert, dass das Lehmhaus vom Unwetter weggerissen worden war. Die Natur habe so nur bestätigt, was er längst wisse: Der Versuch, in Neuseeland einen Farmbetrieb aufzubauen, musste scheitern.
    Aber da er noch nicht sah, was jenseits dieses »Endes« lag, war es für ihn nicht möglich, das Wort Ende auszusprechen. Sobald er Gold gefunden hatte, sobald er über Geld verfügte, würde er ein Arrangement treffen, das für sie beide fair war, ein Arrangement, das pragmatisch und vernünftig war und in gewisser Weise auch die Hoffnungen berücksichtigte, die sie beide zu Anfang gehabt hatten. Aber bis dieser Tag gekommen war, bis er die nötigen Mittel für eine eigene Zukunft besaß, blieb ihm nur die Bitte an Harriet, ihn in Ruhe zu lassen und selbst, weit weg von ihm, ein stilles, unaufwendiges Leben zu führen, damit er sich nicht um sie sorgen oder überhaupt nur an sie denken musste.
    »Ich schlage vor, dass du bei den Orchards wohnst«, sagte er. »Ich weiß, dass Dorothy dich sehr gern hat …«
    »Ja«, erwiderte Harriet, »und ich habe sie auch sehr gern. Aber ich kann nicht ewig bei den Orchards wohnen, Joseph. Ich kann mich nicht in ihr Leben drängen. Und außerdem möchte ich jetzt auch die Goldfelder sehen, wo ich schon diese lange Seefahrt gemacht habe.«
    »Nein«, sagte Joseph. »Nein. Die Goldfelder sind nichts für dich.«
    »Wieso nicht? Weil es da derb zugeht? Weil Goldschürfen hässlich ist?«
    »Es ist keine Welt für solche wie dich.«
    »Solche wie mich? Ich entsinne mich, dass du etwas Ähnliches gesagt hast, als ich in Christchurch bleiben sollte und du fortgingst, um das Lehmhaus zu bauen.«
    »Das war wegen Lilian.«
    »Stimmt. Aber Lilian ist nicht mehr da, oder?«
    »Du wärst nicht glücklich in Kokatahi, Harriet.«
    »Wieso redest du dauernd von Glück? Als wäre es das Einzige, wonach man streben sollte.«
    Selbst jetzt, wo sie auf dem harten Stuhl am Frühstückstisch saß, wirkte sie groß. Joseph fragte sich, wie er jemals hatte glauben können, dass er eine Frau ertragen würde, die genauso groß war wie er. Als er Rebecca in die Arme geschlossen hatte, reichte ihr Kopf ungefähr bis an seine Schulter, und er hatte das Kinn in ihre Locken betten und das Beinwellöl riechen können, das sie für die Haarwäsche benutzte.
    Er hätte ihr gern gesagt, dass er von Glück spreche, weil er und das Glück Fremde füreinander seien, genau wie Harriet und er jetzt einander fremd seien. Dabei war er es so leid, unter Fremden zu leben! Er war es leid, dass er sich inzwischen klein machte und Richtung Erde beugte wie ein alter Mann. Er dachte an Hamish McConnell mit seinem schottischen Schloss. Er dachte an Will Sefton, der sich am Brenner-McConnell-Gold bereicherte. Er spürte, wie ein Schrei in seine Kehle stieg, sah die drei Tiger in der Zirkusmanege im Kreis laufen …
    »Mich mit nach Kokatahi zu nehmen ist dir lästig«, sagte Harriet. »Das kann ich verstehen. Aber ich werde nicht lang bleiben, Joseph. Ich habe Edwin Orchard versprochen, eine Freundin von ihm zu finden, die sich hier irgendwo aufhält. Und wenn ich sie finde, gehe ich wieder auf das Schiff und fahre fort, und sie kommt mit. Aber bis dahin bleibe ich bei dir und helfe dir auf deinem Claim. Wenn ich einen Garten umgraben kann, kann ich bestimmt auch nach Gold graben.«
    Joseph legte die Hände vors Gesicht und blickte zwischen den Fingern hindurch zu Harriet. Er sah, dass er diese Frau, die er geheiratet hatte, nicht einfach so auf die Wallabi schicken konnte. Sie war, bis auf ihren Hund, ganz allein und hatte kein Haus, in das sie zurückkehren konnte, die ganze Einrichtung lagerte irgendwo in einer Halle. Und mit jedem Tag rückte jetzt auch der Winter näher. Er sah sie scharf an und versuchte herauszufinden, was sie von ihm erwartete. Spürte sie ebenfalls, dass sie einander nicht mehr berühren konnten, sich nicht mehr als die Menschen erkannten, die einander einst berührt hatten? Er hoffte es.
    Lange konnte er sie nicht anschauen. Im kalten Morgenlicht sah sie so reizlos aus, ihr war Haar zu kurz, ihre Nase zu lang, ihre Haut zu gegerbt von den Tagen draußen auf dem Feld und den salzigen Seewinden.
    Er fragte sich, ob er sie je schön gefunden hatte, konnte sich aber nicht mehr erinnern.
    Joseph räusperte sich. »Wenn du unbedingt mitkommen willst«, erklärte er mit seiner offiziellen Auktionatorstimme, »dann brauchst du ein eigenes

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