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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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nicht ein prächtiger Witz ist!«
    Wäschewaschen wurde Harriets Hauptaufgabe. Das war es, was Joseph von ihr wollte. Im Grunde nichts sonst. Als wollte er ihr die Goldsuche nicht anvertrauen. Sie sollte einfach nur dafür sorgen, dass die Dinge wieder sauber wurden.
    Also karrte sie Josephs stinkende Kleidung und seine verdreckte Bettwäsche zu einer Stelle weiter flussaufwärts, wo man sie vom Goldfeld aus nicht sehen konnte, seifte die Wäsche ein, schlug sie gegen einen großen weißen Stein, spülte sie im eisigen Wasser und hängte sie in die Bäume. Sie stellte ihm keine Fragen zum Zustand dieser Sachen, nicht einmal sich selbst. Sie sah, was sie sah. Sie ließ ihren Blick zu den Bergen oder dem Himmel wandern.
    Harriet hatte einige Kokatahi-Goldgräber nach Pare gefragt, doch niemand hatte eine Maorifrau gesehen. Sie kicherten bei der Vorstellung, dass eine Maori »sich auf unseren Grabungen breitmacht«. Sie erklärten Harriet, es habe Maoris am Greenstone-Fluss gegeben und ein oder zwei seien auch bei den Grabungen unten am Meer gesehen worden, »aber nicht in Kaniere, Miss, und nicht hier, keine Angst«.
    Während Harriet ihre Wäsche wusch, glaubte sie hin und wieder, das Geräusch eines Wasserfalls zu hören. Es war ein gleichmäßiger, brausender Lärm, als käme das Dröhnen direkt aus dem Felsen. Und eines Tages, als Harriets Hände schon rot und rau vom Flusswasser waren und die aufgehängte Wäsche im Wind flatterte, machte sie sich auf den Weg, immer dem Geräusch entgegen.
    Das Gehen war mühsam, da der Pfad mit Geröll und großenSteinen übersät war. Der Fluss schlängelte sich hier um alles herum, was ihm den Weg versperrte.
    Nach ungefähr dreißig oder vierzig Minuten merkte Harriet, dass sie den Lärm vom Goldfeld nicht mehr hörte. Sie beschloss, die Stelle, an der Kokatahi in der Luft »verschwand«, zu markieren. Deshalb kehrte sie noch einmal um, und als sie sie gefunden hatte, legte sie einen Stock quer über den Weg, um die Trennlinie zwischen dem Goldfeld und ihr selbst zu kennzeichnen. Alles in der Welt ist endlich und hat seine Grenzen, dachte sie, und diese Erkenntnis machte sie fast fröhlich.
    Als das Flussufer sich wieder zu einem Kiesstrand weitete, auf dem ein paar langbeinige Vögel herumstocherten, lief sie schneller. Es verging über eine Stunde. Sie wurde durstig, kniete sich ans Ufer, schöpfte Wasser in ihre Hände und trank und verharrte dann einen Augenblick reglos in dieser Haltung und horchte auf das Donnern des Wasserfalls und auf den Wind.
    In dem Moment kam die Sonne heraus, und Harriet blickte auf und sah Chen Pao Yis Gemüsegarten. Sie musste die Augen gegen das Sonnenlicht zusammenkneifen, das den Garten auf der anderen Flussseite hatte aufleuchten lassen, als ginge auf einer verdunkelten Bühne ein Scheinwerfer an. Staunend betrachtete sie ihn. Er entsprach dem Bild, das sie im Kopf gehabt hatte, als sie ihren Garten in der Okuku-Ebene anlegte. Seine Vielfalt, die akkurate Bepflanzung, die Sorgfalt, mit der die dunkle Erde bearbeitet worden war … Und wenn ihr eigener Garten längst Vergangenheit wäre, hier konnte man sehen, was er hätte werden sollen.
    Sie entdeckte Pao Yis Hütte, die aus Steinen erbaut und sorgfältig mit Farnwedeln gedeckt war und sich wie zum Schutz gegen die Felswand lehnte. Sie sah auch das Fischernetz, das an einer flachen Stelle im Fluss zwischen zwei Bäumen befestigt war.
    Obwohl Harriet eine gute Handvoll Wasser getrunken hatte, verspürte sie immer noch etwas wie Durst, aber es war keinWasser, wonach es sie verlangte; ihr Durst galt irgendetwas Frischem, Grünem aus seinem Garten.
    Sie zog ihre Stiefel aus und begann, durch den Fluss zu waten. Die Strömung war schnell und kalt und zerrte an ihren Röcken. Sie wusste, wenn sie stürzte, würde sie womöglich mitgerissen, zurück nach Kokatahi, und dann, zusammen mit den Ratten und dem Müll, in Richtung Kaniere treiben.
    Sie bückte sich, um ihre Röcke aus dem Wasser zu ziehen, und entdeckte dabei ein Seil auf dem Kiesgrund des Flusses. Als sie es anhob, sah sie, dass es an einen Pfosten neben dem Garten gebunden war. Alles, was Harriet tun musste, um wieder sicher zur anderen Seite zu gelangen, war, sich am Seil festhalten.
    Sie trocknete ihre Füße im Gras und zog die Stiefel an. Sie blieb stehen, wo sie war, und rief laut, aber niemand erschien. Sie sah eine Hacke mit rotem Griff im Zwiebelbeet stecken. Sie stellte fest, dass der Garten durch schmale, grasbewachsene Pfade

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