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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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mich in Frieden.«
    »Aye, aye, Sir. Das werde ich. Sagen die dort oben nicht aye? Ich werde Sie in Frieden lassen, Mister Blackstone. Ganz bald sogar. Aber ich dachte mir, bevor ich gehe, könnten Sie mich doch Ihrer Frau vorstellen, damit ich ihr erkläre, mit welchen ›Diensten‹ ich sie während ihrer Abwesenheit vertreten habe. Dann hätten wir reinen Tisch gemacht, oder? Ich gehe nicht gern, bevor ich nicht reinen Tisch gemacht habe.«
    Joseph trat gegen einen Holzkeil, und der segelte über den schlammigen Boden in Wills Richtung, doch der Junge wich anmutig aus.
    »Wenn du glaubst, du kannst mich erpressen«, sagte Joseph, »hast du eins übersehen, Will Sefton. Ich habe kein Gold. Nicht eine Unze. Nicht ein Stäubchen. Nichts. Du kannst gern selbst nachschauen, wenn du mir nicht glaubst.«
    »Ich glaube Ihnen ja. Ich sehe es in Ihrem Gesicht. Kein Gold. Aber Sie haben ja noch das Geld, Mister Blackstone. Sie können sich doch in Hokitika immer noch Vorräte und eine Schürflizenz kaufen. Das weiß ich, weil ich Sie gesehen habe. Und Sie haben mir nie einen einzigen Cent gezahlt für alles, was ich gemacht habe. Keinen einzigen Cent. Und ich habe zu Mr McConnell gesagt: ›Ich bin wütend auf Mister Blackstone. Ich bin wütend auf einen Mann, der mir Geld verspricht und sein Versprechen nicht hält.‹ Und Mr McConnell gibt mir Recht. Er sagt zu mir: ›Geh hin und hol dir, was dir zusteht, Will, denn du bist der süßeste kleine Schwanzlutscher der südlichen Hemisphäre. Und wenn du nicht bekommst, was dir zusteht, dann knöpfe ich mir Blackstone vor.‹ Er hat Sie nämlich ›Blackstone‹ genannt, nicht Mister Blackstone , weshalb ich glaube, dass er Sie verachtet. ›Dann knöpf ich mir Blackstone persönlich vor und hol mir das Geld mit meinen bloßen Händen.‹«
    Jetzt hatte Joseph das Gefühl zu fallen.
    Und er hatte das Gefühl, unter ihm gebe es nichts, das ihn in diesem entsetzlichen endlosen Fall auffangen könnte. Er sah eine Ratte am Rand des Schachts auftauchen, an dem er geradearbeitete, und im Loch verschwinden. Er sah, wie Will die Ratte beobachtete und grinste, sein Mund so rot und so feucht, wie Rebeccas immer gewesen war. Er sah, dass der Abstand zwischen ihm und der Schaufel, die im Matsch lag, nicht mehr als eine Armeslänge betrug.
    Er wusste, dass er unterernährt war, dass seine Kräfte nachließen und dass er nicht mehr so schnell war – schnell im Denken und schnell im Handeln. Er wusste, dass er seine Absicht tarnen und so tun musste, als würde er sich langsam in sein Zelt zurückziehen – als wollte er Geld für Will holen. Also fischte er einen Lumpen aus seiner Tasche und wischte sich die Hände ab. Will ließ ihn nicht aus den Augen.
    Dann schoss sein Arm vor, und er packte die Schaufel. Mit aller ihm noch verbliebenen Kraft schwang er sie in die Luft, holte weit aus, bis sie ihren höchsten Punkt erreichte, ließ sie niedersausen, mitten durch die schwere, stinkende Luft von Kokatahi, und wartete auf das Geräusch der eisernen Schaufel, die den Schädel von Will Sefton zerschmetterte und ihn für immer zum Schweigen brachte.
    Aber Joseph war sogar noch langsamer, seine Absicht noch durchschaubarer, als er geglaubt hatte. Er hörte Will aufschreien, und dann begriff er, dass der Junge weggesprungen war, nach hinten, deutlich außer Reichweite des fürchterlichen Schlags. Einen Moment lang sahen sie einander noch in die Augen, dann drehte Will sich um und rannte über den malträtierten Boden davon, hin zu dem Seil, das Josephs Claim begrenzte, sprang darüber und raste weiter, hechtete über Steinhaufen und den überall herumliegenden Müll, bis Joseph ihn nicht mehr sehen konnte.
    Er warf die Schaufel weg.
    Er war sich bewusst, dass die Männer auf den angrenzenden Claims ihre Arbeit unterbrochen hatten und ihn anstarrten, diesen Mann, der seinen Verstand verloren hatte.
III
    In der Nacht kam Harriet zu Josephs Zelt.
    Er blieb regungslos liegen und gab vor, sie nicht zu bemerken, weil er fürchtete, sie sei gekommen, um mit ihm zu schlafen.
    Er lag da, den Kopf in der Armbeuge und seine Flinte in Reichweite, und hörte, wie sie die Zeltklappe öffnete, wieder hinter sich schloss und neben ihn kroch. Sie berührte seinen Ellbogen, und er tat so, als erwache er aus einem seiner Albträume.
    »Joseph«, flüsterte sie. »Zünd eine Kerze an. Ich muss dir etwas zeigen.«
    Sie hatte sich in ihre rote Decke gehüllt, und ihr halb abgewandtes Gesicht wirkte ernst, und er

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