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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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wusste, dass er keine Umarmung zu befürchten hatte. Er zündete eine Kerze an und stellte sie zwischen Harriet und sich. Als sie sich vorbeugte, um das kleine Bündel zu öffnen, das sie in der Hand hielt, musste Joseph daran denken, wie gern er es einmal gehabt hatte, wenn ihm ihre einst so wilden, langen Haare ins Gesicht und auf die Schultern fielen. Doch dann hatte sie unbedingt ihre Freundin Dorothy Orchard nachahmen müssen und die Haare abgesäbelt; Dorothy und Harriet verstanden sich als moderne Frauen, als vorbildliche Kolonialpionierinnen, und es schien ihnen egal zu sein, dass sie sich dabei verunstalteten.
    Er sah ihr genau zu. Sie knüpfte ein feuchtes Stoffbündel auf, ein leichter Flussgeruch füllte plötzlich das Zelt, und im Schein der Kerze erkannte er ein Häufchen mit Lehm durchsetzten Kies, in dem Harriet jetzt mit den Fingern rührte. Sie rückte die Kerze näher heran und flüsterte: »Siehst du es? Ich irre mich doch nicht, oder?«
    Und Joseph Blackstone begriff, dass er Goldkörner vor sich hatte.
    Mit angehaltenem Atem streckte er die Hand aus und berührte sie, nahm ein paar Körnchen auf und rollte sie zwischen Finger und Daumen, fühlte ihr Gewicht.
    »Wo?«, fragte er.
    Harriet berichtete, wie sie flussaufwärts gewandert war, bis weit hinter das Kokatahi-Grabfeld, immer dem Geräusch eines Wasserfalls entgegen, und wie sie auf dem Weg zum Wasserfall einen außergewöhnlichen Garten entdeckt hatte …
    »Skorbut-Jenny«, sagte Joseph rasch. »War das Gold auf seinem Gelände?«
    »Wer ist ›Skorbut-Jenny‹?«
    »Ein Chinese. Verkauft Gemüse. War das sein Gold?«
    »Pscht«, sagte Harriet. »Du weckst noch die …«
    Joseph ließ das Gold fallen und packte Harriet am Handgelenk. »Wo hast du das hier gefunden? Wo ?«
    Harriet sah Joseph mit eisigem Blick so lange vorwurfsvoll an, bis er ihren Arm losließ. Dann sagte sie: »Nicht im Garten vom Chinesen, Joseph. Auf dieser Seite des Wassers. Es gibt da eine ebene Fläche, wo der Fluss sich weitet … und da habe ich es gefunden. Ich habe es einfach mit der Hand herausgeholt.«
    Nun wagte Joseph, es erneut anzuschauen, zu berühren, einzelne Goldkörner herauszufischen und beiseitezulegen. Und es bildete sich ein Kloß in seiner Kehle, an dem er zu ersticken glaubte, und er dachte, er würde vielleicht weinen müssen oder anfangen, völlig unsinniges Zeug zu stammeln. Er hatte das Gefühl, als hätte das Gift das Blut, das in ihm floss, verlassen, und er wäre wieder frisch und fröhlich und seine Glieder wieder so kräftig wie die eines jüngeren Mannes.
    »Gold«, sagte er. »Wir haben Gold gefunden.«
    Schon versuchte er, den Wert dessen, was da vor ihm lag, zu schätzen. Er dachte, es könnte reichen, um die Bank von Neuseeland zu betreten und sie etwas später mit einem Lächeln im Gesicht wieder zu verlassen. Aber er musste sich unbedingt vergewissern, dass da mehr war, dass es nicht so war wie bei dem bisschen Staub, den er im Bach entdeckt hatte, einem Fund, der ihn gefoppt und gequält hatte; er musste sich unbedingt vergewissern, dass dieses Gold nur der Anfang war …
    Harriet musste alles beschreiben, die Lage, die Struktur der Erde, die Beschaffenheit von Felsen und Bäumen, und er erfuhr, dass es in der Flussbiegung einen breiten Kiesstreifen gab und dass das Gold dort gelegen hatte, und zwar sehr reichlich überall zwischen den Steinen am Ufer, und dass der weiche Schlamm am Wasserrand einen gelblichen Schimmer hatte. Und da begriff er, dass dies die kostbarste Fundstelle überhaupt war, eine Ader direkt an der Oberfläche, ideal für bequeme Strandgrabungen, die keine Schächte erforderten, nur eine Waschwiege und eine Pfanne. Und nach allem, was er durchlitten hatte, fand er es bemerkenswert, dass das Gold aus der Tiefe der Erde emporgekommen, dass es zu ihm gekommen war, wie um zu sagen: Genug, du hast genug gelitten.
    Joseph legte sich auf den Rücken und schloss die Augen. Durch die geschlossenen Lider konnte er Harriet, die neben ihm kniete, als dunklen Schatten sehen. Am nächsten Morgen würde er Kokatahi verlassen, würde alles hier aufgeben, um sich den neuen Claim zu sichern. Er würde Harriet mit Geld für eine neue Lizenz nach Hokitika schicken. Doch das Gold hier würde er noch nicht verkaufen, denn er könnte ja bei der Bank gesehen werden, er könnte ja gefragt werden, woher diese herrlichen Körner kamen. Die Horden aus Kokatahi könnten es sich ja in den Kopf setzen, ihm zu folgen …
    Und das war der

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