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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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seinen Willen aufzwingen, dachte er, und andererseits seine eigenen Spuren besser verwischen. Die Erdhaufen, die sich schon bald am neuen Kanalbett zum Teich türmten, machten die kleinen Kieshügel am Bachufer weniger auffällig. Und es gab eben keinen anderen Weg, an das Gold zu kommen: Man musste graben und spülen und konnte dabei buchstäblich aus Dreck Gold machen. Nach »der Farbe«, wie Schürfer das Gold auch nannten, zu suchen, war eine hässliche Angelegenheit. Jede winzige Unze Gold hinterließ einen monströs riesigen Abfallberg.
    Die Wochen vergingen. Es gab einen Unterschied zwischen »gar nichts« finden und »fast gar nichts« finden. Fast gar nichts war eine winzige Messerspitze Goldstaub, den er mühselig aus dem Erdreich gewaschen hatte und in einem Tuch sammelte. An den meisten Tagen fand Joseph nichts. Dann steigerte er sich in eine rasende Wut, von der er wusste, dass sie absolut fehl am Platze war, und mit Bitterkeit dachte er an die Worte seines Vaters. »Joseph«, hatte der gesagt, »es werden dem Menschen nicht alle Wünsche erfüllt. Versuch, etwas freundlicher zur Welt zu sein, wenn sie dir begegnet.« Er fand es sehr hart, freundlich zu dieser unerträglichen Abwesenheit von etwas zu sein, das, wie er wusste, da sein musste – wenn er es bloß sehen könnte. Er starrte dann auf die wachsenden Erdhaufen und auf sein unzulängliches Werkzeug – seine Schaufel, seinen Pickhammer, seine verbeulte topfähnliche Schüssel und den Blechkrug –, und es packte ihn die Verzweiflung über ein Leben, das ihn stets verhöhnt, ihm nie einen Wunsch erfüllt hatte. Was er sich jetzt wünschte, war Gold, sonst nichts. Und dieses neue Verlangen veränderte Josephs Vorstellungen vom Farmleben. Das Gold würde aus der Farm, wie sie jetzt war – ein paar Morgen Land, gepeinigt vom Südwind, geprügelt vom Hagel und unter Schnee begraben –, einen blühenden Gutshof unter Schatten spendenden prächtigen Bäumen machen, einen Ort, wo Schaffelle, Hammelfleisch und Holz das Geld nur so sprudelnließen. Der plötzliche Reichtum würde die Jahre des Abstrampelns vergessen machen. Joseph Blackstone hatte sich mit diesen schweren Jahren abgefunden – zumindest glaubte er das –, doch jetzt stellte er fest, dass er beinahe alles tun würde, um nicht mehr leiden zu müssen.
    Manchmal, wenn Lilian gerade die Schweine fütterte und Harriet in ihrem Gemüsegarten arbeitete, öffnete Joseph die Teedose, knüpfte das Taschentuch auf, legte die neuen Körner dazu und schaute sich an, was schon da war. Er fand jedes einzelne Partikelchen Gold erstaunlich und wunderschön. Es war aus dem Schlamm gekommen, und es war sein , weil er allein es gesehen und als das erkannt hatte, was es war. Er wusste nicht, wie viel das Gold, das er bisher gefunden hatte, wert war. Aber er war nicht dumm; er wusste, es reichte noch nicht, um sein Leben entscheidend zu verändern. Er stellte sich darum vor, dass die Teedose voll mit Goldstaub war, voll bis zum Rand. Und dann, erst dann, würde er nach Christchurch fahren und um ein Gespräch mit dem Direktor der Bank von Neuseeland bitten.
    Im Geiste spielte er die Szene durch. Er würde die Dose auf der Holztheke vor dem Bankschalter absetzen und sie mit höchster Sorgfalt öffnen. Der Bankangestellte würde verstummen, er würde etwas erblicken, worauf er nicht gefasst war. Und dann würde Joseph in einen separaten Raum gebeten werden, ein Whisky würde ihm eingeschenkt, eine Waage hervorgeholt, Guineen würden gezählt, und er würde in die Sonne hinausspazieren, und all die Jahre der Mühsal wären mit einem Schlag ausgelöscht.
    Er fand es schwierig, anderen Pflichten nachzugehen. Das Graben und Sieben der Erde ging auf Kosten von allem anderen. Als die ersten grünen Spitzen zwischen dem verwelkten Gras den Frühling ankündigten, wusste Joseph, dass er nun bald mit der Aussaat auf den seltsam geformten Feldern beginnen müsste, die er so geduldig mit dem Esel umgepflügt hatte, und dennoch fühlte er sich jeden Morgen wieder zum Bach hingezogen.
    Eines Abends fragte Harriet ihn: »Was machst du mit meinem Bach?« Im Stillen verfluchte Joseph sich dafür, dass er ihm ihren Namen gegeben hatte. Der Bach – und alles, was er in sich barg – gehörte ihm , und er hätte ihm seinen eigenen Namen geben sollen. Doch er hatte eine Antwort parat: »Wenn wir Forellen in den Teich setzen wollen«, sagte er, »dann brauchen sie einen Kiesboden, um Nahrung zu finden, sonst werden sie dort

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