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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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hielt sie endlich etwas Hartes in der Hand. Pare umschloss es fest. Sie wickelte die Aale von den Armen und stieß sie weg und schwamm an die Oberfläche. Oben sah sie, dass die Sonne aufgegangen war. Das Wasser glitzerte in ihrem Schein, und die Blätter schimmerten silbrig, und sie wusste, sie hatte die Antwort auf ihr Rätsel gefunden. In der Hand hielt sie ein Stück Grünstein.
    Am nächsten Tag erklärte Pare ihrer Mutter, sie werde auf Wanderschaft gehen, um nach Grünstein für die Götter zu suchen.Sie werde über die Berge zu einem Ort gehen, wo jetzt die Pākehā nach Gold gruben, denn Gold und Grünstein lägen häufig in denselben Schichten der Erde. Und wenn sie den Grünstein gefunden und ihn den Geistern geschenkt hätte, würde der Regen kommen, und die Jahreszeiten würden wieder sein wie einst, und es würde keine Dürre mehr geben und kein Leid.
    Pares Mutter sah ihre Tochter an. Sie berührte ihre Nase, ihr glänzendes Haar. Sie erinnerte sie daran, dass die Berge tückisch und kalt seien. Dann holte sie ihre wenigen Kostbarkeiten herbei: ein Haifischzahnmesser, einen hölzernen Tiegel mit Poroporo-Balsam, eine bunte Decke, ein Fläschchen mit rotem Ocker, eine Paua-Muschelschale und eine Rolle Angelleine mit zehn Haken. Die Grünstein-Kette, die vor ihr ihre Mutter und ihre Großmutter getragen hatten, besaß Pare schon.
    »Nimm dies«, sagte Pares Mutter. »Brich die Muschelschale in kleine Stücke, die im Wasser den Elritzen ähnlich sehen, und binde sie an deine Haken, damit wirst du große Fische fangen. Und du wirst am Leben bleiben.«
    Pare legte sich die Grünstein-Kette um den Hals und packte die anderen Dinge zu einem Bündel zusammen, das sie auf dem Rücken tragen würde. Dann schüttelte sie ihre Bastmatte aus, faltete sie und verstaute sie ebenfalls in ihrem Bündel. Sie fegte ihren Platz im Pā, und dort, wo sie die Matte fortgenommen hatte, legte sie einen kleinen Kreis aus Steinen. Bevor sie aufbrach, ordnete sie diese Steine mehrere Male um, bis jeder Stein seinen richtigen Platz gefunden hatte. Sie wusste, dass sie in der kalten Stille der Berge von ihrem Leben im Pā träumen und sich dorthin zurücksehnen würde. Und zum Trost könnte sie sich dann die Steine vorstellen, die auf sie warteten, unverrückbar und unberührt.
II
    In der Zeit der anhaltenden Dürre und der heißen Winde geschah etwas Unumkehrbares mit dem Lehmhaus: Es wurde zu Staub.
    Harriet stand unten in der Ebene und blickte zur Silhouette ihres Hauses hinauf. Und im Gegenlicht der Abendsonne sah sie endlose feine Staubwolken aus seinen Wänden hochwirbeln. In den Staub mischten sich Schnipsel von trockenem, kleingehacktem Gras, und Harriet begriff jetzt, wieso damals alle gesagt hatten, diese Lehmmixtur sei »vorläufig«, »anfällig«, »instabil«. Mit jedem Windstoß zerfiel das Haus ein bisschen mehr.
    Als Erstes schleppte sie zusammen mit Lilian eine Leiter aus dem Kuhstall. Danach liefen beide zwischen Haus und Bach hin und her, füllten Kanister mit Wasser, und Harriet stieg auf die Leiter und schüttete das Wasser von oben die Wände hinab, und mit ihren Händen versuchten die Frauen, die bröckelige Masse festzudrücken, und pressten Hände voller Lehmerde in die aufbrechenden Lücken.
    Lilian wischte sich den Lehm von den Händen und bemerkte: »Einige künstlerisch veranlagte Mädchen in meiner Jugendzeit hatten eine Schwäche für Töpferscheiben, doch zu denen gehörte ich nie.«
    Harriet lächelte. In letzter Zeit legte Lilian immer weniger Wert auf feine Kleidung und Hauben; sie trug jetzt Kittel und Schürzen aus Sackleinen, schob ihre grauen Haare unter ein Netz, und als Sonnenschutz diente ihr ein zerknautschter Leinenhut. Sie sagte, die Schweine wüchsen ihr langsam »richtig ans Herz«, und selbst in ihrem täglichen Kampf mit dem qualmenden Herd wirkte sie nun sehr viel gelassener. Ihr Brot wurde knuspriger, »mehr so«, erklärte sie stolz, »wie Roderick es gemocht hätte«. Manchmal waren die beiden Frauen nach ihrem Tagwerk auf der Farm so hungrig, dass sie eine Scheibe nach der anderen mit Schmalz bestrichen und auf die Weiseeinen ganzen Laib vertilgten. Und eines Abends, als Lilian zufrieden beim Nähen saß, sagte sie: »Wenn doch nur der Winter nicht wiederkäme.«
    Harriet, die mit ihrem Sammelalbum beschäftigt war und gerade eine verdorrte Weizenähre und eine türkisfarbene Eisvogelfeder einklebte, sah zu Lilian hinüber. Sie überlegte, ob Lilians neue Heiterkeit wohl mit

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