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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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seine zerrissene Jacke und seine völlig abgelaufenen Stiefel denken müssen. »Und wo ist es hingegangen, all das Geld, das du in Otago verdient hast?«
    »Wo es hingegangen ist? Wo geht es denn immer hin, Mister Blackstone? Für dies und für jenes, und dann ist es weg.«
    Joseph trank seinen Kaffee aus und erhob sich. Er begann am Fluss entlangzulaufen, zurück in die Richtung, aus der sie am Vorabend gekommen waren. Dabei hielt er die ganze Zeit den Kopf gesenkt und starrte auf den Boden direkt am Wasserrand. Wenn er sich vom Claim der Schotten fernhalten wollte, hatte er zwei Möglichkeiten: entweder zog er landeinwärts nach Süden, noch hinter die anderen Schürfer, oder er entschied sich für eine Stelle hier. Er kniete nieder, spülte seine Hände im Wasser ab, sah, wie sauber und klar es noch war, und malte sich aus, wie in kürzester Zeit Schlamm und Abfälle von weiter flussaufwärts hertreiben und alles in eine braune Brühe verwandeln würden. Er wollte aber nicht die Hinterlassenschaften anderer Männer auf seinem Stück Fluss sehen. Er wollte über ihnen sein, sie sollten unter seinem Dreck, seinen Rückständen leiden. Und so beschloss er, Will sollte Zelt, Vorräte und Ausrüstung zusammenpacken und in die Schubkarre laden. Sie würden weiter landeinwärts ziehen, näher heran an den »Aufsteiger-Grund«, und erst dann den Claim abstecken, wenn sie nicht mehr den Lärm der Ladewinden hörten.
    Ihr Marsch führte am Fluss entlang bergauf und immer wieder an frisch abgesteckten Arealen vorbei, und als der Nebel sich lichtete, die Sonne herauskam und das Buschland vor ihnen im Licht schimmerte, erschien Joseph die ganze Marschiererei vergebens in ihrer Unentschiedenheit.
    Er blieb stehen und blickte sich um. Er hätte gern irgendein Zeichen bekommen, einen Hinweis in der Geländestruktur, der ihm verriet, wo er seinen Claim setzen sollte, doch nichts offenbarte sich ihm. Er setzte die Karre ab und horchte. Aus den Bäumen tropfte es noch immer in den Fluss, und Vögel riefen vom Kiesufer. In der Ferne konnte er das Geräusch eines Wasserfalls hören. Er nahm eine Schaufel aus dem Karren und stieß sie in das weiche Erdreich zwischen zwei grauen Steinen. Und dann holte er seine erste Schaufel Westküstenerde aus dem Boden und betrachtete sie.
    Will setzte sein Bündel ab, sah sich die ausgehobene Erde an, kniete nieder und begann, sie mit den Händen zu sieben. Sie war eher hell, aber durchsetzt mit trockenem, dunklerem Split.
    »Einfach zu bearbeiten«, lautete Wills Kommentar. »Wir könnten ziemlich schnell bis zum blauen Ton durchkommen, solange wir nicht absaufen. Und da oben stehen Kiefern für die Bretter.«
    Wieder peinigten Joseph die Qualen der Unentschlossenheit.
    War es falsch gewesen, so weit stromaufwärts zu laufen? Wussten die Männer mit den Ladewinden, dass der Boden dort goldhaltig war? Hatte er diese entscheidende Information in den Wind geschlagen? Und das aus keinem vernünftigen Grund, sondern nur aus seiner alten Sehnsucht, allein zu sein, dem Goldrausch voraus?
    Er ließ die Erde von der Schaufel fallen, drehte sich einmal um sich selbst und stellte fest, dass es hinter ihm und zu seiner Linken ein kleines grasbewachsenes Gelände gab, das eben und trocken und frei von Manuka-Gestrüpp war und wo ein Zelt stehen konnte.
    »Sollen wir das Zelt dort aufstellen?«, fragte er Will.
    »Ihre Entscheidung, Mister Blackstone.«
    »Will«, sagte Joseph, »es langt mit diesem ganzen Mister-Blackstone -Getue! Sag einfach Joseph zu mir.«
    Aber Will schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Das ist klar gegen mein Credo, Mister Blackstone.«
    »Dein Credo?«
    »Heißt das nicht so? Hab ich von einem gebildeten Schürfer am Arrow gelernt. Es meint meine Regeln . Ich spreche nie denkostbaren Taufname n eines Mannes aus. Lasse nie zu, dass er mein Schatz wird. Das verstehen Sie doch, oder? Ich bin sicher, Sie verstehen das.«
    Joseph starrte den Jungen an. Er sah, dass sein Mund im Licht der Sonne sehr rot aussah, genauso rot, wie Rebeccas Mund gewesen war, so rot und feucht, die Lippen leicht geöffnet, als wäre sie ständig im Begriff, etwas zu sagen oder zu lachen. Er wandte den Blick ab und sah wieder auf die Erde.
    »Ja«, sagte er, »das verstehe ich.« Und in dem Moment begriff er auch, dass er nicht weitergehen konnte, und deshalb traf er eine Entscheidung: Er würde seinen Claim hier abstecken. Aus seiner Tasche zog er die Schürflizenz mit seinem so elegant geschriebenen Namen und

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