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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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wenige persönliche Habseligkeiten zurückbehalten, und die packte sie jetzt in Säcke und band sie an Billys Sattel. Billy wartete geduldig und schlug mit dem Schwanz gegen imaginäre Sommerfliegen. Lady hockte mit ihren großen, leuchtend gelbbraunen Augen im Gras und freute sich mit gespitzten Ohren auf den nächsten Befehl.
    Sie packte die Pistole ein, die Joseph ihr in D’Erlangers Hotel gegeben hatte, und auch den Kompass, der ihrem Vater gehört hatte, und dann zog sie ihren Mantel an, setzte eine Wollmütze auf, die Dorothy Orchard gestrickt hatte, und bestieg das Pferd. Sie wusste, dass sie mit der Mütze älter aussah, so wie jemand, der schon lange in Neuseeland lebte und die Zeichen des Winds zu lesen verstand.
    Lady erhob sich und bellte. Die Teedose hatte Harriet an der Stelle, wo sie sie gefunden hatte, in der Erde vergraben und den Deckel vorher wieder festgenagelt. Drinnen lag eine Nachricht für Joseph:
    Das Wetter hat das Lehmhaus genommen, und wir konnten es nicht retten.
    Ich habe mich aufgemacht, Dich zu suchen, denn ich kenne Dein Geheimnis. Lilian ist am 12. März gestorben und wurde in Rangiora begraben. Die Tiere sind verkauft. Deine Möbel lagern bei Bloomington in Christchurch. Frag nach dem Angestellten, Mr O’Mally. Deine Frau Harriet
    Dann ritt sie den Bergen entgegen, schlug erst einen südlichen Bogen um sie und wandte sich dann wieder nordwärts, in Richtung Amberley. Sie ließ Billy traben oder gehen, ganz wie er wollte, ohne ihn je anzutreiben, und Lady lief nebenher, immer im selben Tempo wie sie beide.
    Etwa acht oder zehn Kilometer südlich von Amberley gelangte Harriet auf den Fuhrweg, der von Christchurch bis hin zur Waitobi-Schlucht führte. Der Weg war unbefestigt, ausgewaschen vom Regen und zerfurcht von den Spurrillen schwerer Räder und den Abdrücken von Männerstiefeln. Es dauerte nicht lange, und sie traf auf ein versprengtes Häufchen Goldsucher, einige mit Pferd und Wagen, andere zogen Handkarren, und manche hatten kaum etwas dabei außer ihrem Bündel und einem Pickel.
    Es waren nur Männer. Sie starrten Harriet auf ihrem eleganten Fuchs an. Ihre Augen verrieten Ungläubigkeit und noch etwas anderes, das ebenso gut Fürsorglichkeit wie Verachtung hätte sein können, sie wusste es nicht zu unterscheiden.
    »Die Reise geht bis Amberley, was, Miss?«, fragte einer von ihnen. »Doch nicht etwa über den Hurunui?«
    Harriet wollte sich nicht gern in irgendwelche Gespräche verwickeln lassen. Sie wollte allein mit ihrem Vorhaben sein, oder genauer, allein mit ihren Gedanken, denn sie versuchte schon die ganze Zeit herauszufinden, worin denn dieses Vorhaben eigentlich bestand.
    Sie antwortete, ihr Weg führe sie »eine Weile hier entlang«, und hoffte, damit sei das Thema erledigt. Doch einige Schürfer wollten, mit Blick auf das, was ihnen bevorstand, gern ein wenig über die Schrecken der Strecke zum Taramakau-Fluss plaudern.
    »Die Menschen versuchen, einen von dieser Route abzuhalten«, sagten sie. »Sie erzählen Geschichten von Felsbrocken, die einen erschlagen, von Männern, die im Fluss ertrunken sind, und davon, wie die Schlucht immer enger und enger wird, bis alles dunkel ist. Aber was soll man dazu sagen? Doch nur, dass es Männer gibt, die den Hurunui-Sattel tatsächlich überquert haben. Hunderte haben es geschafft. Das Einzige, was wir nicht glauben können, ist, dass eine Frau das schafft. Das glauben wir einfach nicht.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte Harriet.
    »Das schaffen Sie nicht, Miss. Keine Chance! Dabei sind es nicht mehr als achtzig Kilometer durch die Provinz Canterbury. Achtzig Kilometer . Wieso dürfen Fremde aus Australien das Meer überqueren und Himmlische aus China dorthin segeln und sich nehmen, was rechtmäßig uns gehört, und uns wird es verwehrt durch einen Berg, der im Weg steht?«
    »Ja, wieso eigentlich?«, erwiderte Harriet.
    »Die Regierung sollte eine Straße bauen. Das wäre die Antwort. Einen anständigen Fuhrweg, die ganze Strecke bis zum Gold. Dann könnten Sie hübsch bequem im Wagen sitzen und unterwegs die Landschaft bewundern! Das wäre Ihnen als Frau doch bestimmt lieber! Oder?«
    »Vielleicht«, sagte Harriet.
    »Nicht ›vielleicht‹. Das wäre Ihnen auf jeden Fall lieber. Hältdie Röcke hübsch trocken, was? Aber die Regierung ist einfach zu lahm. Die schicken Landvermesser, das ist alles. Schicken Männer, die auf die verdammten Pässe glotzen. Aber immer noch kein verdammtes Anzeichen für eine Straße von Osten

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