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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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von weniger melancholischen Orten hierhin vertrieben worden waren, ihre spinnwebfeinen Körper angefährlichen Dornen verhakten und zerrissen und einen Schleier vor die Sonne spannten.
    Doch das Westküstengold hatte Menschen in diese Schattenwelt gelockt, und die würden sich jetzt auch weiter wagen, würden ihren Weg langsam und voller Angst fortsetzen und, genau wie sie selbst es auch getan hatte, über den Fluss hin und her wechseln. Man musste immer wieder Stellen suchen, wo sich das Wasser durchqueren ließ, wenn Felsen oder überhängende Klippen den Weg versperrten, doch das verlangte Kenntnisse über den Fluss. Diesen Fluss aber kannte niemand. Er war das unerforschte Herz der Südinsel. Und deshalb entschieden sie sich, sehr häufig, für die falsche Stelle, und die Füße der Männer wurden aufgerissen, genau wie ihre eigenen, oder das eisige Wasser warf sie um und riss sie mit sich fort.
    Pare wusste, dass dies der Ort war, wo der Tod zum Begleiter der Goldsucher wurde, so wie er Pare begleitete, wo er stets Schritt mit ihnen hielt, nie hinter sie zurückfiel. Und sie sahen ihn überall: in jedem glitschigen Stein, in jedem fallenden Ast, und sie spürten ihn überall, in der schweren Luft, die das Atmen mühsam machte, und in ihren verwirrten Herzen. Und doch setzten sie ihren Weg fort. Sie wussten, dass die Schlucht ein Ende haben musste, dass sie auf dem Weg zur Hochebene des Taramakau-Flusses waren und dass sie, sofern sie überlebten, zu den Sümpfen und den Stränden des Meeres gelangen würden.
    Pare setzte ihre Hoffnung auf diese Menschen. Sie war ein oder zwei von ihnen begegnet, als sie die Bergseen gestreift und den Kamm bezwungen hatte, bevor sie bei einer der elenden Flussdurchquerungen ausgerutscht war. Und sie betete, dass diese anderen hier entlangkommen würden und sie eine Paua-Muschelschale gegen Flechtsandalen und frische Binden eintauschen konnte oder auch gegen etwas zu essen, damit sie nicht verhungerte, während die Wunden verheilten und die Schmerzen nachließen. Und so lag sie auf ihrem Felsvorsprung, von dem aus sie die Schlucht bis dorthin überblicken konnte, wo der steile Abstieg begann, und wartete.
    Sie wartete drei Tage. Einmal kletterte sie zu einer Stelle, wo ein Silberfarn wuchs, und grub ihn mit ihrem Haifischzahnmesser aus und zerkleinerte seine Wurzel und aß davon. Sie hätte gern aus dem Wasserfall getrunken, aber sie wagte sich nicht so nah heran. Also kroch sie wieder zum Flussufer hinunter, wo das Wasser immerfort gegen seine Einschnürung anbrandete und ihr weiße Gischt ins Gesicht sprühte und gegen ihren Arm drückte, während sie trank. Dann kroch sie zu einem kleinen schlammigen Fleckchen und setzte sich dort hin und sah zu, wie das Blut aus ihren wieder aufgeplatzten Wunden den Boden färbte.
IV
    Mit Billy am Zügel, das Seil, das an Ladys Halsband gebunden war, fest in der Hand, erreichte Harriet den Grat des Bergsattels am höchsten Punkt des Passes und blickte hinunter.
    Sie hörte die Männer fluchen. Sie starrten in den Abgrund, und der Abgrund offenbarte sich ihnen in all seiner unveränderlichen Dunkelheit.
    »Gottverfluchte Scheiße!«, schrie einer der Goldgräber. »Du bist das verdammteste Loch, das ich je gesehen habe. Aber du sollst deinen Spaß haben. Ich besorg’s dir. Und dann bin ich dran. Morgen um diese Zeit bin ich in Taramakau.«
    Und dann packte dieser Mann den Griff seines kleinen Karrens, den er hinter sich herzog, etwas fester und machte, ohne zu zögern, von dem Felsvorsprung, auf dem sie standen, einen Schritt ins scheinbar Leere. Doch irgendwie blieben seine Füße auf dem festen Boden des Pfads, der sich in Spiralen ins Tal hinunterwand.
    Harriet und die anderen sahen ihm schweigend hinterher. Niemand rührte sich. Obwohl die Schatten nach ihm griffen, war er noch eine Weile zu sehen, und sie konnten noch seine Schritte und das Geräusch seines Karrens hören. Harriet musste an die Ölflecken auf dem Boden im Lehmhaus denken, nachdem Bunny und Hopton wieder losgezogen waren, und sie fragte sich, wie es ihnen wohl hier ergangen sein mochte.
    »Und nun?«, sagte ein älterer Schürfer, als der Mann außer Sichtweite war. »Sie werden da doch nicht runtergehen, was, Miss Harriet? Sie wollen doch noch nicht sterben, oder?«
    Der Mann hustete und spuckte, und Harriet sah, wie sein rötlich gefärbter Schleimklumpen neben ihr landete. Sie gab keine Antwort.
    Der Wind, der in einem Bogen aus dem Taltrichter hochwehte, kam hier oben

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