Die Farbe des Himmels
Anfang«, erklärte sie, während sie die Rücklauftaste drückte und das Gerät leise lossummte.
Alle außer Kübler und Ströbele, die noch den pakistanischen Gärtner vernahmen, hatten es sich wie bei einer Kinovorstellung bequem gemacht und starrten gebannt auf den Fernsehapparat.
Auf dem Bildschirm erschien zunächst grauer Asphalt und der Bordstein des Gehwegs vor Wagners Grundstück. Einige Sekunden lang bewegte sich nur die Zeitanzeige in der linken Ecke. Dann lief ein dunkelhaariger Mann in einem Arbeitsanzug durchs Bild.
»Der Gärtner«, kommentierte Messmer. »Wir sind jetzt bei 07:20 Uhr. Spul noch ein Stück nach vorn.«
Thea drückte den Bildsuchlauf. Exakt um 07:26 Uhr kam im Zeitraffer von rechts ein weißer Pkw angesaust, hielt unmittelbar vor der Kamera, und ein kleiner, korpulenter Mann mit Halbglatze stieg aus. Im Tempo einer Stummfilmfigur flitzte er nach links aus dem Bild.
Thea drückte die Stopp-Taste, spulte das Band ein Stück zurück und drückte auf Play. Erneut sah man den Mann aus dem Auto steigen und diesmal im Normaltempo die Straße überqueren. Sein Gesicht war nicht zu erkennen. Er verschwand aus dem Aufnahmewinkel der Kamera, und die Straße lag wieder verlassen da. Eine Zeit lang geschah nichts.
Dann kam der Mann plötzlich im Eilschritt über die Straße, zog im Laufen den Autoschlüssel aus der Hosentasche, riss die Autotür auf, sprang hinter das Steuer und schoss aus der Parklücke. Thea stoppte erneut.
»Geh auf Zeitlupe«, hörte sie Joosts Stimme hinter sich.
Thea wählte den Einzelbildmodus. Jetzt schwebte der Dicke anmutig wie ein Schattenboxer beim Taijiquan auf das Auto zu. Die ganze Zeit über hielt er den Kopf gesenkt.
»So kriegen wir sein Gesicht nicht«, fluchte Messmer, als der Mann sich an der Autotür zu schaffen machte. »Spul doch mal zurück bis dahin, wo er angelaufen kommt.«
Thea nahm den Bildsuchlauf. Als die Zeitanzeige bei 07:34 Uhr stand, kam der Verdächtige von der anderen Straßenseite auf sein Auto zugerannt und machte sich am Schloss zu schaffen. Bevor er einstieg, hob er den Kopf und schaute einen Augenblick lang direkt in die Kamera.
»Stopp!«, rief Joost. »Das ist das beste Bild, das wir kriegen können. Bring die Kassette gleich zum Fotolabor und lass von dieser Einstellung einen Abzug machen. Dann haben wir etwas, das wir Frau Hauser vorlegen können.«
»Wenn sie den Kerl kennt, ist das eine richtig heiße Spur.« Koch strahlte über sein sommersprossiges Gesicht.
»Ich glaub schon, dass sie ihn kennt«, sagte Thea und nahm die Kassette heraus. »Der Nachbar hat gesagt, dass er den Mann schon öfters bei Hausers gesehen hat.«
»Hoffentlich ist er nicht ihr Liebhaber, und sie will ihn decken«, brummte Kümmerle.
»Liebhaber? Hast du dir den Typen angesehen?«, feixte Messmer. »Eine Frau von ihrem Format hat es bestimmt nicht nötig, sich so einen kleinen Dicken an Land zu ziehen.«
»Na und? Auch kleine Männer müssen ihre Chancen haben«, protestierte Kümmerle, der selbst nicht zu den Größten im Dezernat zählte.
»Dieser Schweizer müsste laut Putzfrau aber jünger sein«, sagte Thea. »Wenn der Mann auf dem Video der Sohn eines Geschäftsfreundes sein soll, müsste dieser Geschäftsfreund stramm auf die neunzig zugehen.«
»Vermutlich handelt es sich bei dem Sohn um Maschio Junior«, sagte Messmer. »Dass diese Familie in Lugano wohnt, wissen wir von Frau Hauser persönlich. Wer hat denn die Personalien überprüft?«
Koch hob die Hand, die noch mit den Resten eines geschmolzenen Schokoriegels beschmiert war. Mit der anderen wühlte er in einem Haufen Notizzettel.
»Paolo, Genoveva und Enrico Maschio«, las er mit dem verkniffenen Gesicht von jemandem, dem es Mühe bereitet, seine eigene Schrift zu entziffern. »Der Senior ist Jahrgang 1942, der Junior ist 1968 geboren.«
»Somit wäre das auch geklärt. Unser morgendlicher Besucher hat die fünfunddreißig jedenfalls schon weit hinter sich gelassen. Wer immer das ist, Enrico Maschio ist es auf keinen Fall.«
»Trotzdem brauchen wir die Passagierliste der Maschine, mit der Helene Hauser angekommen ist«, meinte Joost. »Wenn wir definitiv ausschließen können, dass der Schweizer zur Tatzeit in Stuttgart war, sind wir einen Schritt weiter.«
»Was läuft denn hier? Der neueste ›Tatort‹?« Ströbele war mit Kübler im Schlepptau hereingekommen und blickte erstaunt auf seine Kollegen, die noch immer den Fernsehbildschirm anstarrten.
»Wir haben den
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