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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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Mamas Hand nach Hause gehen, ihr Abendbrot bekommen und ins Bett gebracht werden, sicher mit Umarmung, Kuss und einer Gute-Nacht-Geschichte.
    Thea erinnerte sich, wie sie und Karolin sich im Kinderheim vor dem Einschlafen immer Gruselgeschichten erzählt hatten, die ziemlich albern und alles andere als angsteinflößend gewesen waren. Dennoch hatten sie beide vorgegeben, sich entsetzlich zu fürchten, und am Ende war eine ins Bett der anderen gekrochen. Thea musste unwillkürlich lächeln bei dieser Erinnerung und fragte sich, ob ihr damals schon bewusst war, dass sie beide die Nähe der anderen nicht etwa aus Angst vor Gespenstern, sondern aus Sehnsucht nach Geborgenheit gesucht hatten.
    Auf der Königstraße herrschte Hochbetrieb. Als sie am Brezelkörble beim Buchhaus Wittwer vorbeikam, kaufte sie sich eine Laugenbrezel, rieb die Salzkörner herunter und aß sie unterwegs. In der Hoffnung, abseits der Einkaufsmeile schneller vorwärts zu kommen, bog sie rechts in die Gymnasiumstraße ein, überquerte die Kronprinzenstraße und stand schließlich vor den hübschen mittelalterlichen Giebelhäusern der Calwer Straße, wo die Gastwirte bereits im Freien die Tische für das Abendessen eindeckten. Als sie an der Haustür von Frau Wiesner klingelte, war es Viertel vor sechs.
    Eine kleine, zierliche Frau von ungefähr sechzig Jahren öffnete Thea die Tür. Sie war elegant gekleidet und dezent geschminkt. Thea wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, die Frau so spontan überfallen zu haben, doch die winkte ab: »Kommen Sie nur rein, ich freue mich immer über Gesellschaft. Besonders über so nette.« Nach einem Blick auf Theas Dienstausweis fügte sie hinzu: »So ein junges, hübsches Mädchen und so ein entsetzlicher Beruf.« Sie bot Thea einen Platz in dem kleinen geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer an. »Ich bin gespannt zu hören, was Sie sich von meiner Aussage erhoffen.«
    Thea setzte sich auf das Sofa und war darauf bedacht, keines der zahlreichen Zierkissen zu zerdrücken.
    »Frau Wiesner, wie lange arbeiten Sie schon für Herrn Hauser?«, fragte sie und schaltete das Diktiergerät ein.
    »Von Anfang an, also seit mehr als dreißig Jahren. Als er sein Büro bezog und eine Sekretärin brauchte, wurde ich eingestellt.«
    »Dann nehme ich an, Sie haben ihn gut gekannt?«
    »So gut eine Sekretärin ihren Chef nur kennen kann. Ich habe lange Jahre in seinem Vorzimmer gesessen, und jeder, der zu ihm wollte, musste an mir vorbei.«
    »Darauf wollte ich hinaus. Gab es denn außer Geschäftspartnern auch Privatpersonen, die zu ihm ka men?«
    »Ich ahne, was Sie meinen.« Frau Wiesner brachte ein schmales Lächeln zustande. »Seine Mädchen, nicht wahr? Man soll über Tote nichts Schlechtes sagen, aber wenn ich etwas mit Gewissheit von Herrn Hauser behaupten kann, dann so viel, dass er, was das schöne Geschlecht betrifft, wahrlich kein Kostverächter war.«
    »Wie haben Sie das denn mitbekommen?«
    »Nun, sie riefen in der Firma an, und ich nahm die meisten Gespräche entgegen. Da macht man sich schon seine Gedanken.« Sie sah Thea neugierig an. »Glauben Sie denn, dass das etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte?«
    »Das können wir noch nicht sagen, wir ermitteln in alle Richtungen und müssen allen Hinweisen nachgehen.«
    »Ja, natürlich.« Frau Wiesner faltete die Hände über den Knien.
    »Wissen Sie, ob er Feinde hatte?«
    »Zahllose gehörnte Ehemänner wahrscheinlich. Ansonsten, nicht dass ich wüsste.«
    Thea wagte noch einen Vorstoß. »Haben Sie mitbekommen, dass es wegen seiner Affären Streit mit Frau Hauser gab?«
    »Wenn, dann trugen sie das nicht in der Firma aus. Frau Hauser hat zu viel Klasse, als dass sie Eheprobleme vor der Belegschaft diskutieren würde. Dabei gab es Anlässe genug.« Frau Wiesner entfernte eine imaginäre Fussel von ihrem Rock. »Ehrlich gesagt, wenn ich seine Frau gewesen wäre, hätte ich ihm ganz sicher irgendwann den Kopf abgerissen.« Sie biss sich auf die Lippen, als hätte sie schon zu viel gesagt.
    »Frau Wiesner, haben Sie auch Freunde von Herrn Hauser kennen gelernt? Ich meine hier ganz konkret einen Doktor Lichtenberg.« Thea wollte Lichtenberg als Verdächtigen einfach noch nicht aufgeben.
    »Ach, dieser Arzt? Ja, der war ab und zu mal da. Ein unangenehmer Zeitgenosse.«
    »Inwiefern?«
    »Mir gegenüber benahm er sich recht herablassend. Er grüßte nicht mal, sondern spazierte an mir vorbei, als sei ich gar nicht da. Meistens holte er Herrn Hauser ab, und

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