Die Farbe des Himmels
bringen.
Messmer und Joost sahen gleichzeitig von ihren Unterlagen hoch. Ströbele stand auf.
»Warte mal. Ich hab vorhin mit dem Kollegen vom Raubdezernat gesprochen, der den Trickbetrüger vernommen hat. Du hattest richtig vermutet. Dr. Lichtenberg hat viele wohlhabende, teilweise verwirrte Patienten, deshalb konnte er gut einschätzen, wen man am leichtesten über den Tisch ziehen kann.«
»So hat er also seine Spieleinsätze bekommen, wenn bei Hauser nichts zu holen war«, sagte Thea. »Ganz schön unverfroren.«
»Die Kollegen waren auch bei Lichtenberg in der Praxis«, fuhr Ströbele fort. »Der Kerl war nicht da. Die Sprechstundenhilfe wollte sie erst nicht an den Computer ranlassen. Jedenfalls war die Vorlage des Anschreibens, das bei Frau Lenz im Müll gelegen war, noch gespeichert. Er musste je nach Firma nur den Briefkopf ändern.«
»Es macht mich richtig froh, dass er jetzt doch noch einfährt, wenn auch nur wegen Trickbetrug!«, frohlockte Kümmerle.
»Und wegen Erpressung an Hauser und Antonia Linder«, erinnerte Ströbele. »Wir machen auch gleich Schluss. Trink doch noch ein Feierabendbier mit uns.«
»Danke, aber ich muss noch fahren.« Thea umfasste die Riemen ihres Rucksackes ein wenig fester.
»Na dann, bis morgen, Engelchen«, sagte Ströbele. »Sag mal, geht es dir gut?« Er sah sie durchdringend an.
»Wieso? Was meinst du?« Thea spielte nervös mit ihrem Schlüsselbund. »Mir geht’s prima, bin nur etwas müde.«
»Ich meine nur. Du bist sehr blass«, sagte Ströbele.
»Schlaf mal aus und träum was Schönes, am besten von mir.« Messmer sah sie mit einem breiten Grinsen an. »Und denk daran, manche Träume können wahr werden.«
»Ja, und manche werden zu richtigen Albträumen. Bis morgen.« Thea zog die Tür heftig hinter sich zu und lief so schnell die Treppen hinunter, dass die Gummisohlen ihrer Turnschuhe auf dem Linoleum quietschten.
Ich habe den ganzen Tag lang versucht, Sofia in Mailand zu erreichen. Sie geht einfach nicht ran. Leider gehört sie zu der vom sicheren Aussterben bedrohten Spezies der Italiener, die noch kein Handy besitzen.
Ich brauche ihren Rat und muss unbedingt mit ihr reden. Ich werde es gleich noch mal versuchen. Wenn ich sie heute nicht mehr erreiche, weiß ich nicht mehr weiter.
*
Kaum hatte Thea die Wohnungstür hinter sich zugeschlagen, zog sie den Wollstoff aus dem Rucksack und breitete ihn auf dem Wohnzimmerteppich aus. Dann holte sie die Schachtel aus dem Kleiderschrank, nahm ihren Wollstoff heraus und legte ihn neben den anderen. Es war, wie sie vermutet hatte. Vor ihr lagen zwei Stoffstücke, die sich bis auf die letzte Faser glichen, und nun erkannte sie auch, was es war: Ein verblichener, südamerikanischer Poncho, der in der Mitte durchgeschnitten war.
Mit zitternden Fingern strich sie über die Wolle und wartete, bis ihr Herz wieder langsamer schlug. Dann griff sie zum Telefon und wählte. Karolin meldete sich sofort.
»Karo, ich muss mit dir sprechen.«
»Dann tu es!«
»Nicht am Telefon. Können wir uns im ›Stetter‹ treffen?«
»Was ist denn los?«
»Später. Ich bin in zwanzig Minuten da.«
»He, was ist passiert? Du klingst ja furchtbar.«
»Bis nachher«, sagte Thea und legte auf.
Zwanzig Minuten später betrat Thea das »Weinhaus Stetter« in der Rosenstraße, das unweit von Karolins Wohnung lag. Wie immer um diese Zeit waren alle Tische besetzt. Sie drückte sich an dem wuchtigen Kachelofen, der mitten im Gastraum stand, vorbei und entdeckte Karolin in der Nische hinter einem schmiedeeisernen Raumteiler.
»Hallo!« Thea gab ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange.
Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und nahm wortlos einen Schluck von Karolins Rotwein.
»Und?«, fragte Karolin. In ihren Augen entdeckte Thea eine Spur von Unruhe. So kannte sie Karo seit ihrer Kindheit, immer ein wenig besorgt.
»Schmeckt gut. Den nehme ich auch. Welcher ist es denn?«
»Trollinger, Stuttgarter Weinsteige. Aber eigentlich meinte ich nicht den Wein.«
»Ich hab dir doch von dem Mordfall erzählt, den wir gerade bearbeiten«, begann Thea.
»Ja, klar. Gibt es was Neues?«
»Liest du keine Zeitung?«
»Du weißt doch, dass dieser Zuhälter unter mir sie immer aus meinem Briefkasten klaut.«
»Es wurde noch jemand umgebracht.« Thea nahm noch einen Schluck.
»Ist nicht wahr! Wer denn?«
»Eine Frau ist erschossen worden.« Thea machte eine Pause. »Seine Geliebte.«
»Was? Das ist doch bestimmt kein
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