Die Farbe des Himmels
Kohle, mit der Antonia Hauser zu ködern versuchte, eine Rolle dabei spielt«, überlegte Messmer. »Von wem hat sie so viel Geld bekommen? Das waren ja bestimmt keine Peanuts, wenn Hauser seine Frau damit auszahlen wollte.«
»Die Schwester war ein Mannequin«, erinnerte Koch. »Sie ist bestimmt nicht arm.«
»Wenn sie bei Antonia in der Wohnung war, könnte es doch sein, dass dort Hinweise auf sie zu finden sind.« Ströbele sah von Joost zu Messmer.
Joost sprang so hastig auf, dass sein Stuhl umfiel. »Wer fährt raus nach Degerloch?«
*
Das Haus im Eibenweg sah bei Tageslicht noch deprimierender aus als in der Nacht, in der Antonia Linder tot aufgefunden wurde. Das rot-weiße Absperrband hob sich grell vom verwaschenen Braun des Gartenzaunes ab. Das Gras in der Einfahrt war von den Autos niedergedrückt, die in der Nacht zum Montag hier geparkt hatten. Als der dunkle Wagen vor dem einstöckigen Haus hielt, wehte vom Ramsbachtal eine leichte Brise herüber und strich durch die Kronen der Bäume, die die Einfahrt säumten. Als sie ausstiegen und die Wagentüren zuschlugen, flogen Amseln auf, die sich an den letzten Kirschen gütlich taten.
Messmer brach das Polizeisiegel an der Haustür und schloss auf. »Jeder nimmt sich ein Stockwerk vor. Danach schauen wir uns an, was wir als Beweisstücke mitnehmen können. Ich gehe in den Keller.« Er grinste lausbübisch. »Wenn ich mich abgekühlt habe, komm ich zu euch hoch.«
Ströbele legte seine Tasche auf die Kommode im Flur. »Ich seh mich im Erdgeschoss um und nehme mir das Wohnzimmer vor.«
»Und ich soll nach oben, was? Die Herren der Schöpfung sind offensichtlich fußkrank.« Thea stapfte die Treppe zum ersten Stock hinauf.
»Du kannst nachher gerne zu mir in den Keller kommen, Thea-Schatz«, rief Messmer hinter ihr her.
Oben auf der Treppe warf Thea ihren Rucksack in eine Ecke und betrat das peinlich aufgeräumte Schlafzimmer von Antonia Linder.
Das Erste, was ihr auffiel, war ein dunkelbrauner Teddybär, der auf dem französischen Bett mit altrosa Tagesdecke saß. Er trug einen rot-blau karierten Anzug und schien Thea mit seinen dunklen Knopfaugen unverwandt anzusehen. Sie erinnerte sich plötzlich, dass sie im Kinderheim einen ähnlichen Teddy gehabt hatte. Auf dem Nachttisch stand ein vergilbtes Schwarzweiß-Foto in einem Silberrahmen. Es zeigte ein junges Paar vor einem Überseedampfer. Thea vermutete, dass es Antonias Eltern waren. Sie nahm es in die Hand und betrachtete es eine Weile. Irgendetwas an der Frau faszinierte sie. Ihr langes schwarzes Haar war zu einem Zopf geflochten, sie hatte hohe Wangenknochen und dunkle, mandelförmige Augen. Sie trug ein helles Kostüm und lachte in die Kamera, wobei ihre schönen Zähne zu sehen waren.
Thea öffnete den Kleiderschrank und sah sich die Blusen, Kleider und Jacken genauer an. Antonia Linder war wohl eine sparsame und nicht gerade modebewusste Frau gewesen, denn die meisten Kleidungsstücke waren offensichtlich von der Stange. Auf dem Schminkschränkchen zwischen den beiden Fenstern standen ein paar halbvolle Parfümfläschchen und eine Puderdose aus Porzellan; eine altmodische Haarbürste und ein Kamm aus Schildpatt lagen daneben. Thea vermutete, dass die hübschen Dinge entweder vom Trödlermarkt stammten oder Erbstücke waren.
Sie ging ins Nebenzimmer, das offenbar als Gästezimmer gedient hatte. Vom Fenster aus sah sie in den Garten hinter dem Haus hinunter. Ein ausladender Apfelbaum breitete seine Zweige über einen Geräteschuppen und einen runden Holztisch mit vier Stühlen. Thea wandte sich ab und sah sich im Zimmer um. Außer dem Bett mit weißer Tagesdecke, einem Tisch mit zwei Korbsesseln und dem Kleiderschrank stand nur noch ein Kasten in einer Ecke, über den eine beige Baumwolldecke gebreitet war. Thea schlug die Decke zurück. Darunter kam ein alter Überseekoffer mit lädierten Ecken zum Vorschein. Auf dem Deckel waren Dutzende vergilbter, teilweise zerrissener Aufkleber mit Städtenamen wie Rio de Janeiro, Caracas, New York, San Francisco, London und Paris. Ob Antonia all diese Reisen gemacht hatte? Thea ging in die Hocke und betastete die beiden Schlösser. Nach mehreren Versuchen sprangen sie auf. Der süßlich-scharfe Geruch von Mottenkugeln stieg ihr in die Nase. Sie nahm eine Schlafdecke, zwei Zierkissen, einen rosa Morgenmantel und einen bunten Wollstoff heraus und legte alles neben sich auf den Teppich. Es gab kein Geheimfach und keinen doppelten Boden, also tat sie
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