Die Farbe des Himmels
Zufall!«
»Eher nicht.«
»Und? Habt ihr den Täter schon?«
»Du kannst fragen. Die Ermittlungen sind in vollem Gange.« Thea winkte der Wirtin, die am Nebentisch bediente, und deutete mit dem Finger auf Karolins Weinglas.
»Es wird die betrogene Ehefrau gewesen sein«, sagte Karolin.
»Kann sein. Was ich dir erzählen will, hat mit den Morden eigentlich nichts zu tun …«
»Erzähl!«
Thea fuhr mit der Fingerspitze die braunen Blütenblätter auf den Keramikkacheln der Tischplatte nach. »Während der Wohnungsdurchsuchung bei dieser Toten hab ich etwas gefunden, das mit mir zu tun hat.«
»Mit dir?«
»Besser gesagt, mit meiner Herkunft.«
»Nein!« Karolin riss die Augen auf.
Thea schwieg eine Weile.
»Jetzt red doch schon.«
»In einem Koffer lag ein Wollstoff, der genauso aussieht wie der, in den ich als Baby eingewickelt war. Du weißt doch, in den mich meine Mutter …« Sie konnte nicht weitersprechen.
»Das ist ja der Hammer!«, entfuhr es Karolin.
»Ich hab ihn mit nach Hause genommen und mit meinem verglichen. Die Stücke sind haargenau gleich.«
»Wie kann das sein?«
»Es ist ein Poncho. Die Nähte über den Armen bis zum Halsausschnitt sind aufgetrennt, so dass zwei gleiche Hälften daraus wurden. Eine davon hatte sie im Haus. Die andere … verstehst du?«
»Heißt das, diese Frau ist …« Karolin schlug die Hände vors Gesicht.
»Meine Mutter. Und sie ist tot«, flüsterte Thea. Zwei Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln.
»Das glaub ich einfach nicht.« Karolin nahm Thea in den Arm und wiegte sie wie ein Kind. »Vielleicht hat deine Mutter diese Frau auch nur gekannt und die Poncho-Hälfte von ihr bekommen.«
Thea zuckte die Achseln. »Ich kann sie nicht mehr fragen.«
»Gibt es keine andere Möglichkeit, das herauszufinden?«
»Ich könnte meine DNA mit ihrer vergleichen lassen.«
»Dann musst du es deinen Kollegen erzählen.«
»Ja. Ich mag gar nicht dran denken.« Thea wischte sich das Gesicht mit den Händen ab.
»Da, nimm.« Karolin wühlte in ihrer überfüllten Handtasche nach einem Papiertaschentuch und drückte es ihr in die Hand.
Thea putzte sich die Nase und sah ihre Freundin verzweifelt an. »Was soll ich jetzt bloß tun?«
*
13. August
Gestern habe ich Dali vor Antonius Haus getroffen. Ich war wie vom Donner gerührt. Welches unbarmherzige Schicksal schickt mir diesen Menschen schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche auf den Hals? Er fiel gleich mit der Tür ins Haus und meinte, er sei in Untersuchungshaft gewesen und gerade erst entlassen worden, ob ich mir das vorstellen könne. Ich verstand überhaupt nichts.
»Eigentlich wollte ich gestern nach Baden-Baden fahren, aber manchmal kommt es eben anders, als man denkt«, sagte er und hob seine schwabbeligen Arme, dass ich die Schweißflecken unter seinen Achseln sehen konnte. Ich überlegte, was er von mir wollte.
»Ich bin am Donnerstag, nachdem ich aus Italien gekommen war, bei Wolf vorbeigegangen, um mir Geld von ihm zu holen. Die Haustür stand so einladend offen. Also bin ich gleich zu seinem Arbeitszimmer raufgegangen. Und dort wurde mir schnell klar, dass Wolf nicht in der richtigen Verfassung war, um mir Geld zu geben. Es sah sogar ganz danach aus, als wäre es ihm überhaupt nie mehr möglich.« Er grinste schief. » Tja, Pech gehabt. Und als ich aus der Tür kam, hat mich zu allem Überfluss auch noch ein Nachbar gesehen und es gleich der Polizei gemeldet. So viel zu Baden-Baden. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.«
Mir war immer noch nicht klar, wieso er mir das alles erzählte.
»Diese dämliche Bullen«, fuhr er fort. »Was die alles von mir wissen wollten. Was ich so früh am Tag bei Hauser gesucht hätte. Und ob ich mir vorstellen könnte, wer ihn umgebracht hat.« Er legte eine Kunstpause ein und sah mich eindringlich an. »Aber keine Angst, ich hab dich nicht verpfiffen.«
»Wie bitte?« Mir wurde plötzlich siedend heiß.
Er grinste breit über sein fettes Gesicht. »Wollen wir uns nicht ins Auto setzen, dort können wir viel besser reden.«
»Ich wüsste nicht, was ich mit Ihnen zu bereden hätte«, gab ich zurück und wollte an ihm vorbei.
Er lächelte mich mitleidig an. »Ich habe außer in Medizin auch in Psychologie promoviert.« Sein ekelhaftes Grinsen wurde noch breiter. »Mir machst du nichts vor.«
»Steigen Sie ein«, herrschte ich ihn an und riss die Wagentür auf, denn aus dem Augenwinkel hatte ich gesehen, dass im Nachbarhaus jemand aus dem
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