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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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kleines Mädchen geboren war, war ich nur noch froh, es geschafft zu haben.
    Ich hatte viel Blut verloren, war total erschöpft und konnte nur einen kurzen Blick auf mein süßes Baby werfen. Die Kleine war so zart, dass ich Angst hatte, ihr wehzutun, als ich sie im Arm hielt. Ich sagte, sie soll Theresa heißen. Ich fand diesen Namen schon immer wunderschön. Für eine Sekunde blinzelte sie mir zu und ich sah, dass sie blaue Augen hatte, w ie ihr Vater. Aber das war mir egal. In diesem Augenblick konnte mich kein Übel dieser Welt erreichen.
    Antonia nahm mir das Baby aus dem Arm und gab mir irgend so ein bitteres Zeug zu trinken. Sie sagte, ich müsse mich jetzt ausruhen und ging mit meinem Kind hinaus.
    Ich muss Stunden geschlafen haben, denn als ich aufgewacht bin, war es heller Morgen. Ich rief nach Antonia und wollte meine kleine Theresa sehen.
    Antonia setzte sich zu mir ans Bett und sagte, ich müsse jetzt sehr stark sein. Das Baby habe es nicht geschafft. Ich verstand nicht, was das heißen sollte.
    »Was nicht geschafft?«, fragte ich.
    »Das Baby ist gestorben. Es war zu schwach«, sagte sie.
    Ich kann mich jetzt nicht mehr daran erinnern, aber Antonia erzählte mir später, ich hätte angefangen zu schreien und um mich zu schlagen und sei nicht zu beruhigen gewesen.
    Als ich Theresa noch einmal sehen wollte, sagte Antonia, sie habe das tote Kind schon weggebracht. Ich bettelte und heulte, aber sie sagte mir nicht, wohin sie mein Baby gebracht hatte. Ich glaube, sie hat es heimlich irgendwo verscharrt. So bekommt wenigstens niemand die Schande mit, dass ihre kleine Schwester ein uneheliches Kind geboren hat.
    Ich hasse sie. Hätte sie erlaubt, dass ich in einer Klinik entbinde, anstatt alles selbst machen zu wollen, würde Theresa vielleicht noch leben.
    Antonia sagt, ich soll versuchen, Theresa zu vergessen. Ich müsse stark sein und in die Zukunft sehen. In welche Zukunft denn bloß? Ich habe keine Zukunft. Meine Zukunft ist mit meinem Kind gestorben.
     
    Thea tastete mit einer Hand unter ihrem Kopfkissen nach einem Taschentuch, ohne den Blick vom Tagebuch zu nehmen. Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und las weiter.
     
    12. Oktober 1973
    Es ist unglaublich! Meine fürsorgliche Schwester hat mich in e in so genanntes Sanatorium geschickt. Antonia meint, nach den Schicksalsschlägen, die ich erlitten habe, brauchte ich dringend Kühe und seelischen Beistand, den sie mir nicht geben kann, weil sie arbeiten muss.
    Wie sollte sie auch? Seelischen Beistand, dass ich nicht lache! Sie weiß doch gar nicht, was das ist! Wie auch immer, es ist mir egal, wo ich esse oder schlafe. Und mehr tue ich sowieso nicht, seit mein Kind gestorben ist.
    Und jetzt bin in der Nervenklinik. Toll. Ich bin in der Klapse. Wenn das Marianne wüsste! Für sie bin ich in einem Schweizer Internat. Das hat sich auch Antonia ausgedacht.
    Aber ich bin ganz in ihrer Nähe, im Rudolf-Sophien-Stift.
    Ich teile dieses kahle Zimmer mit einer verrückten Italienerin. Sie wird von allen nur ’Signora’ genannt. Die spinnt ganz schön. Die ganze Zeit hockt sie auf dem Bett, kaut auf ihren Fingernägeln herum und lässt stundenlang ein und dieselbe Schallplatte auf einem scheppernden Plattenspieler laufen. Es ist immer dasselbe Lied, so ein italienischer Schlager. Für den schwärmt sie offenbar. Schwerer Fall von Fanatismus, würde ich sagen.
    Dann kommt noch jeden Tag diese komische Putzfrau hier durch, die pausenlos in weiß Gott was für einer Sprache unverständliche Lieder trällert. Ich hätte es nie geglaubt, aber langsam sehne ich mich danach, mal wieder etwas Deutsches zu hören, von mir aus auch Peter Alexander oder Chris Roberts.
    Nach dem Frühstück haben wir als Erstes einen Gesprächskreis, wo nur Stuss erzählt wird. Ich habe bisher noch nichts gesagt. Sollen doch die anderen erzählen, was sie wollen. Mir ist alles egal. Was soll es denn nützen, wenn ich denen sage, warum es mir so schlecht geht? Die haben ihre eigenen Probleme. Meine süße, kleine Theresa kann niemand wieder lebendig machen.
    Und Mama kann mich auch nicht trösten.
    Nachmittags ist Kunsttherapie bei Dr. Lichtenberg. Weil er mit Vornamen Daniel heißt, haben wir seinen Namen einfach abgekürzt und nennen ihn Dali. Das passt gut, zumal er uns wirklich an den echten Dali erinnert. Er zwirbelt seinen Schnurrbart ganz genauso. Ansonsten ist er ziemlich klein und dicklich, und seine Haare sind auch schon recht ausgedünnt, obwohl er noch gar nicht so alt

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