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Die Farbe des Himmels

Die Farbe des Himmels

Titel: Die Farbe des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britt Silvija und Reissmann Hinzmann
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schrecklich, und es hat so wehgetan. Ich hasse ihn so! Ich hasse ihn! Ich wünschte, er wäre tot. Und Antonia hasse ich auch und mich selber am meisten. Wäre ich doch bloß nicht eingestiegen, ich dumme Kuh!
    Wenn Mama und Papa noch da wären, wäre das bestimmt nicht passiert. Dann hätte Papa diesen schrecklichen Mann gar nicht zu uns ins Haus gelassen. Ich will ihn nie wieder sehen. Ich wünschte, er wäre tot. Und Antonia auch.
    Ich möchte sterben.
     
    Thea atmete tief durch. Sie legte das Tagebuch aufs Kopfkissen, griff nach dem Weinglas und trank einen Schluck. Dann setzte sie sich bequemer hin und blätterte um.
     
    18. Juni 1973
    Ich habe lange nicht mehr geschrieben, weil ich zu durcheinander war. Ich hätte auch gar keinen klaren Gedanken zu Papier gebracht. Im Januar habe ich gemerkt, dass ich schwanger bin. Ich hatte furchtbare Angst, es Antonia zu s agen. Dann habe ich es ihr doch gestanden, weil ich gar nicht mehr weiterwusste. Sie hat mich angeschrieen, mich eine dumme, naive Gans geschimpft und wollte wissen, mit wem ich ins Bett gestiegen sei. Ich weinte und weinte. Sie wollte mir gar nicht glauben, dass ich vergewaltigt worden war. Wir stritten furchtbar, und irgendwann habe ich ihr ms Gesicht geschrieen, dass es ihr blöder Wolf gewesen ist. Da bekam sie erst recht einen Anfall. Sie gab mir eine Ohrfeige, tobte und ging wie eine Tigerin im Zimmer hin und her. Ich hatte Angst, dass sie mich noch einmal schlagen würde. Sie schrie, ich wäre mit sechzehn viel zu jung für ein Kind und müsse es abtreiben lassen. Aber das wollte ich auf keinen Fall, trotz allem nicht! Antonia hat noch tagelang versucht, mich zu überzeugen. Es sei das Beste für uns alle. Selbst als es schon längst zu spät für einen Abbruch war, meinte sie, sie kenne da vertrauenswürdige Leute … Aber ich bin stur geblieben.
    Ich musste meine Schwangerschaft verheimlichen. Das Kind sollte ich sofort nach der Geburt zur Adoption freigeben. Ich weinte die ganze Zeit und war zuerst mit allem einverstanden. Ich hatte einfach keine Kraft mehr, mich zu wehren. Irgendwann beruhigte sich Antonia einigermaßen, aber besonders freundlich war sie nicht zu mir. Wolf kam damals nicht mehr zu uns nach Hause. Ich weiß nicht, ob sie sich woanders trafen. War mir auch egal.
    Dann kam der Tag, an dem sich das Kind zum ersten Mal bewegte. Es muss irgendwann im Mai gewesen sein. Und da wurde mir klar, dass ich es niemals hergeben würde. Ich hatte das Gefühl, es will mit mir Kontakt aufnehmen, mir etwas mitteilen. Und plötzlich wusste ich, dass ich nicht mehr allein bin.
    Es ist mir egal, wer sein Vater ist. Es ist allein mein Kind. Und niemand wird es mir wegnehmen.
     
    Thea hielt inne. Sie war nicht sicher, ob sie die Kraft haben würde, weiterzulesen. Sie stand auf, ging ins Wohnzimmer und kramte in der Schublade, in der sie früher Zigaretten aufbewahrte. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, ganz mit dem Rauchen aufzuhören,  aber eine Notschachtel musste doch hier irgendwo sein. Endlich fand sie die angebrochene Packung und zündete sich hastig eine Zigarette an. Es schmeckte grauenvoll. Nach ein paar tiefen Lungenzügen las sie weiter.
     
    27. September1973
    Ich sitze am Fenster und sehe hinaus. Die Blätter an den Bäumen unten an der Straße sind schon ganz gelb. Bald werden sie abfallen und kahle Zweige zurücklassen. Und dann wird es kalt.
    Mein kleines Mädchen kam vor zwei Wochen zur Welt.
    Im sechsten Monat hatte ich eine schwere Nierenbeckenentzündung und musste den Rest der Schwangerschaft im Bett liegen. Eigentlich hätte ich in eine Klinik gemusst, aber Antonia hat sich krankgemeldet und ist daheim geblieben. Von irgendwoher hatte sie Medikamente besorgt. Wahrscheinlich aus dem Krankenhaus geklaut. Sie kümmerte sich wie eine vorbildliche Krankenschwester um mich. Sie wurde richtig freundlich und versuchte sogar, mir einzureden, das Kind daheim zu bekommen. Aber ich hatte Angst. Sie hat zwar in ihrer Ausbildung auch schon auf der Entbindungsstation gearbeitet, aber so viel Vertrauen hatte ich doch nicht. Ich wollte auf jeden Fall in ein Krankenhaus. Und sie gab auch scheinbar nach.
    Dann setzten die Wehen zwei Wochen zu früh und mitten in der Nacht ein. Alles ging plötzlich sehr schnell. Antonia behauptete, jetzt wäre keine Zeit mehr, ins Krankenhaus zu fahren, außerdem sei sie doch da. Ich hatte in dieser Verfassung keine Kraft, mit ihr zu streiten. Ich wollte es einfach hinter mich bringen, egal wo. Als mein

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