Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
bin Senior Special Agent Zeiler. Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Wir wären schon eher hier gewesen, aber der Verkehr draußen … na, Sie wissen ja.«
Er brachte ein Nicken zustande, das gleichzeitig bestätigend und herablassend war. »Schon gut.«
Zeiler war durch und durch Agent. Um die Fünfzig, schlank, mit kurzgeschorenem, ergrauenden braunen Haar, braunen Augen und schweren Lidern. Seine dunkle Sonnenbrille hatte er sich auf den Kopf hochgeschoben. Hätte er einen klassisch geschnittenen schwarzen Anzug getragen, dann hätte er wie ein typischer Geheimdienstler aus der Zeit vor dem 20. Oktober ausgesehen. Doch stattdessen war er, genau wie seine beiden Kollegen, grün uniformiert.
Ronnie hätte um Geld gewettet, dass er seine Uniform hasste. Die Agenten des Secret Service hatten am lautesten protestiert, als das NDLE , das National Department of Law Enforcement, eines seiner ersten landesweit gültigen Verordnungen als neue oberste Polizeibehörde herausgegeben hatte: keine Zivilkleidung, außer bei verdeckten Operationen, und das galt für alle Abteilungen der Polizei. Der Protest hatte kein bisschen genützt, denn das Argument, um den Präsidenten schützen zu können, müssten sie sich unauffällig unter die Menge mischen, zog nicht mehr. Inzwischen war der Präsident nämlich bei jedem Schritt von einem ganzen Trupp Marinesoldaten umgeben, auch wenn er nur vom Bett zur Toilette ging. Wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigte, war es ein ganzer Zug. Daher hatte der Secret Service schließlich den dunklen Anzug aufgeben und Uniform anziehen müssen, genauso wie jeder Streifenpolizist auch.
»Sie hieß Leanne Carr«, sagte Zeiler emotionslos, während er auf einen abgetrennten Fuß hinuntersah. Durch das verschmierte Blut schimmerte auf dem Nagel des großen Zehs ein bisschen hübscher pfirsichfarbener Nagellack.
»Das habe ich schon gehört. Aber mehr auch nicht.«
»Ein Bauarbeiter hat sie gefunden. Die Bautrupps sind heute früher gekommen, weil sie die paar Tage aufholen wollen, die ihnen durch die Schließung für die Veranstaltung gestern entgangen sind. Und da hat ein Vorarbeiter sie entdeckt.«
Ronnie hoffte nur, dass der Mann sein Frühstück noch nicht zu sich genommen hatte. Doch da sie es auf dem Boden nirgends sah, war sie beruhigt.
»Sie liegt in diesem Abschnitt des Kellers, über etwa zehn Meter verstreut. Sonst nirgends.« Mit einem Stirnrunzeln fügte Zeiler hinzu: »Wenigstens glauben wir das. Wir haben noch nicht alles zusammen.«
Ronnie erinnerte sich, wo Bailey hingegangen war, und zog die Brauen zusammen. »Liegt vielleicht in dem Raum, den Sie als Büro benutzen, noch irgendetwas an Beweismaterial?«
Ein kurzes Kopfschütteln sagte ihr, dass alles gründlich durchsucht worden war. »Wir haben uns im Hauptgeschoss eingerichtet, zwei Stockwerke über diesem hier. Auf dem Stockwerk sind die Bauarbeiten schon weiter fortgeschritten, und einige Büros werden schon benutzt, von der Bauleitung, den Projektleitern und von uns. Die Türen da oben waren alle noch abgeschlossen, und in den Räumen ist nichts berührt worden, keine Spuren.«
Eine wichtige Information. Aber nicht das, was Ronnie wissen wollte.
»Senior Special Agent Zeiler«, setzte sie wieder an, denn sie musste herausfinden, ob ihr aufkeimender Verdacht begründet war, »bin ich hergerufen worden, weil die Zuständigkeitsfrage nicht mit der Stadt geklärt ist? Weil niemand genau weiß, wer für die nicht benutzten Überreste des Weißen Hauses verantwortlich ist? Oder hat man mich aus einem anderen Grund angefordert?«
Einen Moment lang antwortete er nicht, sondern musterte sie nur mit ruhigem Blick, als wolle er ihr Alter einschätzen. Ihre Erfahrung. Ihr Aussehen. Sie war an diese prüfenden Blicke gewöhnt, denn sie hatte viele Polizeibeamte kennengelernt, die annahmen, eine hübsche Polizistin mit großen Titten hätte nur Stroh im Kopf. Daher sagte sie nichts, sondern betrachtete ihn nur kühl, bis er mit seinem sexistischen Geglotze fertig war.
Schließlich gab er widerwillig zu: »Sie sind die einzige OEP -Ermittlerin in der Stadt.«
Ihr Herz, das in den Standby-Modus geschaltet hatte, während sie auf seine Antwort wartete, begann wieder zu schlagen. Ein Adrenalinstoß ließ alle ihre Körperzellen aufgeregt und erwartungsvoll vibrieren. Wenn das nicht so verdammt morbide gewesen wäre, hätte sie am liebsten die blutigen Zehen der armen Leanne Carr geküsst.
Aber Ronnie ließ sich nichts anmerken.
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