Die Farben der Finsternis (German Edition)
sobald Sie damit durch sind . Cass starrte auf den Zettel. Was zum Teufel sollte das, wenn er ihn wirklich für so klug hielt? Er warf den Zettel auf den Beifahrersitz und blätterte das kurze Dossier über die Amerikanerin und die Russin durch, das der Chef der ATD beigelegt hatte. Cass konnte sich denken, dass er die abgespeckte Version erhielt, aber das machte nichts, denn er wusste selbst nicht, wonach er suchte.
Die beiden Frauen waren jung, schön und – wie Abigail Porter – rasch befördert worden. Auch sie stammten aus wohlhabenden Familien. Cass überflog den jeweiligen familiären Hintergrund. Bei der Russin war nicht viel zu holen außer einer Liste mit vorwiegend unaussprechlichen Firmen, für die ihre Eltern gearbeitet hatten, aber aus denStellenbezeichnungen schloss Cass, dass ihr Vater wie Mr Porter in den vergangenen fünfzehn Jahren rasch aufgestiegen war. Der Vater der Amerikanerin hatte es erst mit über fünfzig weiter nach oben geschafft, obwohl Angestellte dieses Alters in dem neuen Käufermarkt normalerweise rausgeworfen wurden. Wie kam es, dass er plötzlich wie Abigails Vater im Vorstand die Welle machte? Auch wenn sie Spätzünder sein sollten, hätte ihnen mittlerweile niemand mehr zugehört, unabhängig davon, wie viel Sachverstand sie angesammelt hatten. Egal. Diese Fragen sollten andere beantworten, sie konnten warten.
Er legte die persönlichen Informationen beiseite und wandte seine Aufmerksamkeit den Hochglanzfotos im Format 20 x 30 zu. Auf jedem Foto stand oben ein Datum und unter jedem Bild war der Zeitpunkt angegeben, an dem die Person das Latham Hotel betreten hatte. Cass sah sich erst die Fotos des Tages an, an dem Abigail Porter verschwunden war. Es waren mindestens dreißig nur für diesen einen Tag. Kein Wunder, dass Fletcher sie alle zusammen auf einer CD-ROM hatte schicken wollen – schon allein wegen der Rezession. Cass musterte die Gesichter der Fremden und zwang sich, jeden einzelnen genau zu betrachten, statt sie rasch wegzulegen. Er lehnte sich zurück und warf die Kippe aus dem Fenster. Das konnte dauern.
Den Mann, der laut Timecode an jenem Tag um 16:54 Uhr hereinkam, musste Cass sich nicht erst lange ansehen. Er erkannte ihn auf der Stelle. Obwohl er immer noch wild entschlossen war, sich bei der Suche nach Abigail Porter nicht aus dem Fenster zu lehnen, war er plötzlich vor Aufregung ganz kribbelig. Das würde Mr Bright gefallen. Oder auch nicht. Cass fand es jedenfalls spitze.
Ohne den Blick vom Foto zu wenden, rief er die Nummer, die er unter »A« in seinem Handy gespeichert hatte,an. Als Mr Bright nach dreimaligem Klingeln ranging, überlegte Cass, ob er wirklich viel zu tun hatte oder nur den Eindruck vermitteln wollte, dass er es nicht übermäßig eilig hatte zu erfahren, welche Information Cass ausgegraben hatte.
»Ja?«
»Ich habe etwas für Sie.« Die Worte blieben ihm beinahe in der Kehle stecken. Dieser Handel gefiel ihm überhaupt nicht und er konnte nur hoffen, dass der Zweck letztendlich die Mittel heiligen würde; und dass Christian ihm vergab – nein, nicht Christian. Der war tot. Wichtiger war, ob er es sich selbst verzeihen konnte, dass er seinen kleinen Bruder ein weiteres Mal hinterging.
»Und zwar?«
»Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, aber erstens werden zwei weitere Frauen in ähnlichen beruflichen Positionen wie Abigail Porter vermisst, die am selben Tag beide auf den miesen Aufzeichnungen des Latham Hotels zu sehen sind. Die eine heißt Mary Keyes – sie arbeitet für den Gouverneur von New York –, die andere ist Irena Melanov, die zum Moskauer Personenschutz gehört. Die Familien dieser beiden Frauen haben Erfolg und Einfluss. Vielleicht überprüfen Sie das selbst. Ich erledige für Sie nur die allernötigste Drecksarbeit, außerdem wissen wir beide, dass Ihr Arm weiter reicht als meiner.«
»Ist das alles?«
»O nein«, erwiderte Cass. »Keine der beiden Frauen wurde seit ihrem Auftritt im Latham vor zwei Tagen wiedergesehen. Aber jetzt raten Sie mal, wen ich da noch entdeckt habe, nur wenige Stunden vor Abigail Porter?«
Die lange Pause in der Leitung gefiel ihm ganz besonders.
»Weiter.«
»Dieser Jemand ging offensichtlich davon aus, dass niemand, der ihn erkennen würde, diese Fotos zu Gesicht bekäme. Jemand, der sich nur ein kleines bisschen zu schlau vorkommt.«
»Wenn du die Kandidaten vielleicht ein wenig eingrenzen könntest«, sagte Mr Bright trocken.
»Asher Red.«
Cass war fast sicher, dass
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