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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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als Mörder gejagt, und dann musste sich ein anderer mit den toten Studenten befassen. Dann konnten sie sich an dessen Seele klammern, obwohl Cass bezweifelte, dass sie ihn einfach so loslassen würden. Den Toten gefiel es anscheinend bei ihm.
    Er bekam Powells sterbendes Gesicht nicht aus dem Kopf und erinnerte sich an die Macht, die er empfunden hatte, weil er wusste, dass der Mann sterben würde – dieseüberwältigende Wut, die Rache. Auch nach so langer Zeit, in der er die Bürde der Schuld getragen hatte, war er immer noch Charlie Sutton. Er hatte den Jungen erschossen und fast nichts gespürt, als er Powell beim Sterben zugesehen hatte … das war unnatürlich. Wie schwarz war seine Seele?
    Als ein neues Bild auf dem Bildschirm erschien, wurde er abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Es war ein Foto, das Porträt eines lachenden Mannes: Dr. Andrew Gibbs. Cass ließ sich schwer in seinen Sessel fallen und drehte den Ton lauter.
    … nach der Schicht in der Notaufnahme auf dem Parkplatz des Krankenhauses von einem Unbekannten erstochen. Sein Tod lässt den Ruf nach einer Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen wieder lauter werden … Zwei weitere Bilder wurden gesendet, offenbar aus den billigen Überwachungskameras am Parkplatz, die schon vor zehn Jahren hätten ersetzt werden müssen. Auf dem ersten Bild standen zwei Männer neben einem Auto. Das andere zeigte einen großen Mann mit schulterlangem schwarzem Haar, der in seinem langen Mantel davonging. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, aber wie Cass sah er wirklich nicht aus.
    Als die Nachrichten sich rasch neuen Themen zuwandten, wurde er von gemischten Gefühlen geschüttelt. Der Tod des Arztes hatte fünfzehn Sekunden eingenommen. Es war gut, dass es nun auch im Fall Powell einen anderen Verdächtigen geben würde, aber das zerstreute die schwer auf ihm lastenden Sorgen nicht. Gibbs war tot, Powell auch, aber wozu sollten diese Morde gut sein? Nur um Cass zu belasten? Oder waren sie nur ein erwünschter Nebeneffekt, während die Spur zu Luke vernichtet wurde? Suchte etwa noch jemand nach dem Jungen? Und warum interessierten sie sich so sehr für den Sohn seines Bruders – was fand das Netzwerk so besonders an der Familie Jones? Wer war dieFrau, die ihn angerufen hatte? Der Junge ist der Schlüssel. Lass nicht zu, dass sie den Jungen behalten. Ihre Worte waren wie ein Echo des Satzes, den sein mittlerweile toter Bruder vor einem halben Jahr gesagt hatte – eine Ewigkeit war das her. Es geht um Erlösung. Das ist der Schlüssel . Zu viele Schlüssel für zu viele Geheimnisse.
    All die Fragen, die einer Antwort harrten, hingen in der Luft seiner Wohnung, die sich viel weniger wie sein Zuhause anfühlte, seit ein Fremder hier gewesen war. Der Sessel, in dem er saß, hatte eine unvertraute Form. Die Farben des Zimmers waren eine Schattierung zu grell. Die Welt drehte sich mal wieder, bis der Boden unter seinen Füßen nicht mehr sicher war, weil etwas Unsichtbares ihn auf seinen Platz im Spiel schob. Er fühlte sich schrecklich allein – und nicht zum ersten Mal.

22
    Elroy Peterson hörte endlich auf zu schreien, als die Maschinen heruntergefahren wurden und eine Technikerin langsam die Apparaturen über den Augen und am Hinterkopf abnahm und die Überwachungsgeräte von seiner Brust entfernte. Er hatte keine Gänsehaut auf der nackten Brust, aber das wunderte Mr Bright nicht – in den Experimentierräumen war es warm, denn so konnten die Studenten weiter reisen. Vielleicht war es der Kontrast zu der Kälte da draußen . Er wusste es nicht genau, aber er musste es auch nicht verstehen, Hauptsache, es half. Seine Aufgabe war es immer gewesen, das große Ganze im Blick zu behalten.
    Der Junge hatte die dunklen Augen aufgerissen, die Pupillen waren an den Rändern blutunterlaufen. Er zitterte am ganzen Körper und von seiner Stirn tropfte Schweiß. Die Ärzte hatten einstimmig prognostiziert, dass die Prozedur Gehirnschäden verursachte, und diese Theorie hatte sich bestätigt. Sie kamen nie vollständig zurück, und bei jedem weiteren Versuch drängte sich der Eindruck auf, dass sie wieder mehr von sich zurückgelassen hatten. Das hatten sie alle gemeinsam, dieser Junge, jene, die Selbstmord begangen hatten, und solche wie Rasnic, denen ihr Leuchten genommen worden war, bis sie nur noch leer, verrückt und sehr, sehr menschlich waren.
    Als der junge Mann leise schluchzte, tat er Mr Bright leid, weil er solche Schmerzen hatte. Andererseits würde er in

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