Die Farben der Finsternis (German Edition)
wusste, dass sie im Anmarsch waren, blieb die Haustür geschlossen. Cass klopfte laut. Der Mann, der die Tür öffnete, sah sie gleichgültig an.
»Ja?«
»Detective Inspector Jones und das ist DS Armstrong. Mordkommission. Wir müssen mit Ihnen über Angie Lane reden.«
»Kommen Sie lieber herein.« Die gespielt lässige Miene verrutschte und der Mann musste schlucken. Cass hatte den Verdacht, dass er seinen Widerstand nicht lange aufrechthalten würde.
»Ist Ihre Frau zu Hause?«, fragte Cass.
»Ich bin nicht verheiratet.« Cage führte sie ins Wohnzimmer. »Die Ehe ist nichts für mich. Ich brauche meinen Freiraum.«
Das überraschte Cass. Warum hätte Cage Angie Lane töten sollen, wenn nicht, um seine Ehe zu retten? »Wir haben uns Angies Telefonverbindungsnachweise angesehen«, sagte er. »Sie hat Ihnen viele SMS geschickt. Und es war keine Einbahnstraße. Was lief da?«
Cage setzte sich ihm gegenüber, Armstrong blieb stehen.Es war offensichtlich, dass Cage hinsichtlich des Alleinlebens nicht gelogen hatte. Es gab keinerlei Deko oder Nippes, von Familienfotos ganz zu schweigen.
»Ist das wichtig? Sie ist doch tot.«
»Selbstverständlich ist es wichtig, wenn es in Bezug zu ihrem Tod steht«, antwortete Armstrong.
»Aber Angie hat sich umgebracht. Wie die anderen Studenten.« Cages Blick flatterte hektisch von einem Polizisten zum anderen; dann schaute er zu Boden. Für einen Mann in den Fünfzigern sah er nicht schlecht aus, aber die Haut über seinen Wangen fing an zu hängen, und wenn seine Schultern nach vorn sackten, betonte das seinen kleinen Bierbauch. Angst machte niemanden hübscher.
»Ich habe viel zu tun, kommen wir also zur Sache.« Cass beugte sich vor und zwang Cages nervösen Blick, seinem eigenen stetigen standzuhalten. »Wir wissen beide, dass Angie sich nicht umgebracht hat. Es sieht nur so aus. Und jetzt erzählen Sie mir bitte, was zwischen Ihnen beiden gelaufen ist.«
»Ich habe sie nicht getötet«, sagte Cage. »Ich war es nicht.«
»Sie haben mit ihr geschlafen. Sie haben ihr Geld gegeben. Streiten Sie das bloß nicht ab; wir wissen, dass Sie Geld abgehoben haben.« Das war geraten, aber es würde ihn nicht wundern, und wenn der Mann dann schneller gestand, war das ganz in Cass’ Sinn.
»Ich weiß nicht, wie es angefangen hat.« Cage zuckte leicht die Achseln. »Also, ich helfe gern … es ist ein Klischee. Besondere Unterstützung bei den Aufgaben, Erklärungen nach den Vorlesungen, solche Dinge.«
Er hatte die Sache mit dem Geld nicht bestritten und Cass bemerkte, wie Armstrong etwas notierte. Sobald sie wieder auf der Wache waren, würde er die Kontoauszüge für die Beweisakte anfordern. Cass begriff, dass Armstrongsehr gründlich war – vielleicht erledigte ja doch bald jemand den endlosen Papierkram.
»Die meisten Studenten mögen mich.« Cage spielte mit seinem schütteren Haar. »Ich gebe mir Mühe, das Studium interessanter zu gestalten – Sie wissen schon, mit Witzchen hier und da oder mit persönlichen Anekdoten. Aber auch wenn sie mich gernhaben, sind sie doch in der Hauptsache faul. Angie war das absolute Gegenteil. Sie wollte wirklich gut sein. Vielleicht war sie erwachsener als die anderen.«
»Und deshalb haben Sie mit ihr gevögelt?«
Cass war absichtlich brutal, aber es funktionierte: Cage zuckte zusammen.
»Ja«, sagte er und sah auf seine Hände. »Stimmt. Sie war jung und hübsch. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie sich in mich verlieben würde.«
»Sie haben ihre Gefühle nicht erwidert?«, fragte Armstrong.
»Ich hatte sie gern.« Cage lächelte traurig. »Und ich fühlte mich geschmeichelt. Vielleicht dachte ich für eine kurze Zeit auch, es wäre Liebe.«
»Haben Sie ihr gesagt, dass Sie sie liebten?«, fragte Cass.
Cage hatte immerhin so viel Anstand, den Blick abzuwenden.
»Kann sein, ein-, zweimal vielleicht. Doch dann fing sie an, von Zusammenziehen zu reden, und wollte eine Familie gründen. Spätestens da merkte ich, dass ich einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.«
»Sie dachten, sie hätten einfach ein bisschen Spaß – zwei Erwachsene, die das Gleiche wollten«, schnaubte Cass verächtlich. »Aber bei ihr ging es viel weiter, weil sie doch noch nicht so erwachsen war. Im Gegensatz zu Ihnen. Ihr Leben fing gerade erst richtig an und sie hatte sich verliebt. Und was haben Sie dann getan? Schluss gemacht?«
»Ja.« Cage zitterte jetzt am ganzen Körper. Wieder musste er schlucken. Er sah aus wie ein Mann,
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