Die Farben der Finsternis (German Edition)
Karriere machen und war gleichzeitig ein hervorragender Polizist, eine seltene Kombination. Cass hatte den jungen Mann als eine Art Terrier einsortiert; wenn er sich erst mal festgebissen hatte, ließ er so schnell nicht los. »Gut. Und was sagt uns das?«
»Es hilft uns wirklich weiter. Eine Nummer kommt dauernd in Angie Lanes Anrufnachweisen vor, fast die ganzen sechs Monate lang. Einige Anrufe, aber vor allem SMS, Hunderte davon in einem Monat.«
»Und? An wen?«
»Dr. Anthony Cage.« Armstrong grinste. »Dozent für Wirtschaft an der South Bank University.«
Cass lehnte sich zurück, all seine Probleme traten in den Hintergrund.
»Glauben Sie, bei den Anrufen ging es um fachliche Probleme?« Die dick aufgetragene Ironie in der Stimme des jungen Sergeants ließ unschwer erkennen, was er dachte.
»Ich würde sagen, das finden wir jetzt raus.«
»Er ist zu Hause. Seine nächste Vorlesung ist erst heute Nachmittag.«
»Haben Sie die Adresse?«
»Selbstverständlich.«
»Gut.« Cass trank seinen Kaffee aus. »Ich fahre.« Er war froh, der Enge seines Büros entfliehen zu können, außerdem konnte er in seinem Auto rauchen. Daran musste Armstrong sich eben gewöhnen. »Dann wollen wir uns mal durch die Rushhour quälen.«
Rachel Honeys Tee war schon fast kalt, als sie endlich daran dachte, ihn zu trinken. Sie trank ihn trotzdem, mit den Gedanken woanders, während sie aus dem Fenster auf die Straße starrte. Sie hatte nicht schlafen können, weil die Erinnerung an das, was sie auf dem Parkplatz gesehen hatte, an ihr nagte. Irgendwas stimmte da nicht, das wusste sie genau. Und da war noch etwas. Als sie seufzte, hatte sie das Gefühl, ihre Wohnung würde mitfühlend zurückseufzen. Vielleicht machte sie aus einer Mücke einen Elefanten und es gab für alles eine vernünftige Erklärung. Das konnte sie sich jedoch nicht vorstellen. Das flaue Gefühl im Magen sagte ihr, dass die Dinge anders lagen.
Sie stellte den Becher mit Tee ab und holte die Visitenkarte des Detective heraus. Unentschlossen und zögernd sah sie sie an. Er hatte gesagt, sie solle ihn anrufen, wennihr etwas einfiele. Und wenn er jetzt fand, dass sie seine kostbare Zeit verschwendete? Sie kaute auf ihrer Unterlippe. DI Jones hatte etwas Einschüchterndes – etwas Hartes im Blick, das sie noch nie gesehen hatte. Doch gleichzeitig strahlte er Freundlichkeit aus und schlau war er auch – das war offensichtlich. Sie schüttelte sich und griff nach dem Telefon. Ihr Herz schlug schneller, so nervös war sie. Sie wurde direkt mit dem Anrufbeantworter verbunden, wartete, bis die barsche Stimme ausgeredet hatte, und hinterließ ihre Nachricht. Eigentlich hatte sie etwas ganz anderes sagen wollen und nun war die Ansage verworren und verkehrt. Verlegen legte sie auf. Mein Gott, wie blöd war sie eigentlich? Trotzdem hoffte sie, dass er verstand, worauf sie hinauswollte. Außerdem konnte sie ihn später noch mal anrufen.
Sie brachte den ungenießbaren Tee in die Küche und schüttete ihn weg. Auch wenn sie den Polizisten nicht erreicht hatte, ging es ihr jetzt besser. Sie lehnte sich an die Spüle. Wieso wartete sie eigentlich darauf, dass er die ganze Arbeit erledigte? Sie wollte schließlich Journalistin werden, da konnte sie doch direkt mit der Recherche anfangen, oder?
Als Cass aus dem Auto stieg, warf er noch einen Blick auf sein Handy, bevor er auf Dr. Cages Haus in Chiswick zuging. Im Augenblick hatte er dauernd mit Doktoren zu tun, aber immerhin war dieser kein Arzt, sondern promovierter Betriebswirt und quicklebendig dazu. Cass hatte zwei Anrufe verpasst, einen von Perry Jordan und einen von einer unbekannten Nummer. Außerdem hatte jemand auf die Mailbox gesprochen.
»Die U-Bahn-Station Turnham Green ist gleich um die Ecke«, sagte Armstrong. »Die kam auf ihrer Oyster Card vor.«
Eine Gardine ruckelte in dem Haus, das sie beinahe erreicht hatten, und Cass steckte sein Handy wieder ein. Die Nachrichten mussten warten. Er wollte nicht, dass Armstrong mithörte, was Jordan zu sagen hatte, und falls es Mr Bright unter der anderen Nummer versucht haben sollte, war dies auch nicht der richtige Zeitpunkt. Er war hier, um die Rechte der Unschuldigen zu wahren. Angie Lanes tote Finger hatten ihren Klammergriff verstärkt. Als die Gardine plötzlich wieder zurückfiel, hätte Cass beinahe gelächelt. Er konnte die Schuld des Mannes bis hierhin riechen. Unglaublich, was man aus dem menschlichen Verhalten alles schließen konnte. Obwohl Cage
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