bemüht gewesen, mit Emily zu Mittag zu essen. Sie hatte ihr behutsam einige Fragen gestellt und aus dem dämlichen Gefasel des Mädchens rasch die nötigen Schlüsse gezogen. In dem Moment, in dem Emily ihren Hund erwähnte, wusste Abigail, wie das Passwort lautete. Es war so vorhersehbar sentimental. Sie tippte rasch den Namen ein und der Bildschirmschoner erschien. Sie klickte direkt den Internetbrowser an und lud Hotmail – mit klopfendem Herzen wie jedes Mal, wenn sie es in den letzten zwei Wochen versucht hatte. Ihr Herzschlag versicherte ihr seltsam tröstend, dass sie noch am Leben war, der kalten, grauen Wolke zum Trotz, die ihre Seele verhüllte. Sie hatte die Nachricht nicht mitgenommen, aber das war auch nicht nötig. Sie hatte sich die Worte eingeprägt.
Sie werden das hier brauchen. Wenn es so weit ist, werden Sie es merken.
Benutzername:
[email protected] Passwort: Errettung
Das hatte sie am Morgen nach den Bombenattentaten gefunden: einen kleinen weißen Briefumschlag, versiegelt und mit einem gefalteten Stück Papier darin. Sie hätte ihn der Staatspolizei oder dem MI5 oder wenigstens der Premierministerin übergeben sollen – irgendwem hätte sie auf jeden Fall Bescheid sagen müssen. Diese Nachricht schrie geradezu danach, weitergegeben zu werden, aber sie hatte es nicht getan, sie hatte sie mitgenommen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, McDonnell davon zu erzählen, aber stattdessenaß sie zu ihrer eigenen Überraschung mit Emily zu Mittag, denn wenn sie schon auf einem Computer Spuren hinterlassen musste, dann lieber auf Emilys als auf ihrem eigenen.
Und deshalb war sie schon wieder hier und gefährdete ihre Karriere, während sie auf den Bildschirmschoner starrte. Die Enttäuschung überwältigte sie geradezu. Der Posteingang war leer. Das gesamte Benutzerkonto war leer. Sie zog die Stirn kraus. Was sollte das Ganze denn nun? Woher sollte sie wissen, wann sie es brauchen würde? Sie schaltete den Bildschirm aus, nachdem sie die Browserchronik gelöscht hatte. Vielleicht würde sie die Angelegenheit weitergeben, wenn jemals eine Nachricht einginge. Vielleicht . Sie stellte den Bürostuhl genau so wieder zurück, wie sie ihn vorgefunden hatte, und ging zur Tür. Vielleicht machte sie sich aber auch nur etwas vor. Die Nachricht hatte ein Versprechen enthalten, das speziell für sie bestimmt war.
»Wir gleichen die Aufnahmen miteinander ab.« Fletcher redete immer noch, als Abigail ihren Platz bei der Tür wieder einnahm. »Wir suchen nach Leuten, die an den Einschlagstellen mit Taschen oder Tüten eintreffen und ohne sie wieder weggehen. Falls sie die Weckfunktion als Detonator für die Bomben benutzten, besteht die Chance, dass es sich nicht um Selbstmordattentäter handelte. Möglicherweise hatten sie genügend Zeit einkalkuliert, um abzuhauen.«
»Ohne Verdacht zu erregen?«
Fletcher zuckte die Achseln. »Lange hätten sie nicht gebraucht, vielleicht ein paar Minuten. Und selbst wenn jemand die Tasche zwischen zwei Haltestellen bemerkt hätte, wäre es für den Attentäter ohne Weiteres möglich gewesen, an der letzten Station auszusteigen und zuverschwinden, bevor sie explodierte. Hauptsache, er war schnell genug.«
»Sie glauben wirklich nicht an Selbstmordattentate?«
»Zum jetzigen Zeitpunkt können wir weder das eine noch das andere ausschließen, aber es irritiert mich, dass niemand sich dazu bekennt. Selbstmordattentäter hinterlassen eine Botschaft, es liegt in der Natur des Selbstmords, eine Erklärung abzugeben, und alle Terrororganisationen bedienen sich ihrer, um Propaganda für ihre Botschaft zu machen. Sie schicken uns Videos, damit wir auch sicher wissen, wer es getan hat und im Namen welchen Gottes sie sich und alle in ihrem Umkreis in die Luft jagen. Und bis jetzt haben wir noch gar keine Nachricht von den Leuten erhalten, die für diese Anschläge verantwortlich sind.«
»Glauben Sie, die Russen haben etwas gehört?«
»Keine Nachricht vom Geheimdienst.« Fletcher sah der Premierministerin direkt in die Augen.
Abigail glaubte, dass der Mann gar nicht anders konnte. Er hatte eine Geradlinigkeit an sich, die von weniger klugen Politikern im Doppelspiel der Politik rasch als wenig intelligent missverstanden werden konnte. Doch David Fletcher war nicht dumm; in seiner nüchternen Einschätzung lag er in jeder beliebigen Situation gefährlich richtig.
»Reden Sie mit ihnen«, sagte die Premierministerin, »aber geben Sie nichts preis. Das wird nicht einfach,