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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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waren immer zu dumm zu merken, dass sie nie so schlau waren, wie sie dachten.

9
    Als der Wagen durch die Barrikaden auf den Leicester Square fuhr, war Abigail froh, dass David Fletcher wieder bei der ATD war und nicht an diesem öffentlichen Auftritt teilnahm. Er machte sie nervös. Er war zu direkt. Im Gegensatz zu Andrew Dunne und der Premierministerin hatte Fletcher ihr weder den Sinneswandel bezüglich des Dicken abgekauft noch geglaubt, dass sie sich einfach getäuscht hatte. Er hatte ihre erste Reaktion gesehen und war nicht davon abzubringen, obwohl sie im Gespräch danach unermüdlich das Gegenteil behauptet hatte. Sie konnte in seinem Gesicht genauso gut lesen wie er in jenem Moment in ihrem. Den ganzen Nachmittag über waren sie in einen anstrengenden Kampf verstrickt gewesen, und er konnte ihr noch so oft höflich zulächeln – beiden war klar, dass er Bescheid wusste.
    Dennoch waren es zwei Paar Schuhe, etwas zu wissen oder in diesem Zusammenhang etwas zu unternehmen. Fletcher hatte alle Hände voll zu tun und er konnte noch so tief in ihrer Vergangenheit graben, er würde nichts finden. Sie war sauber, wirklich.
    Durch die getönten Scheiben konnte sie das Mahnmal für die Opfer sehen, die ihr Leben verloren hatten, nicht nur bei 26/09, sondern bei sämtlichen terroristischen Anschlägen im Laufe des letzten Jahrzehnts. Angeblich handelte es sich um moderne Kunst. Abigail fragte sich, ob die metallene Skulptur auch andere an das verbogene Wrack eines Bahnwaggons erinnerte. Wahrscheinlich nicht – und wenn, würde es niemand laut sagen.
    Die Straßen in der Umgebung waren zeitweise gesperrt, aber auf dem Fußgängern vorbehaltenen Platz stand eine große Gruppe mit trauernden Angehörigen hinter einerkleineren Sperre, die etwa fünf Meter vom Mikrofon entfernt war. Etwas weiter weg drängten sich weitere Zuschauermengen hinter den Absperrgittern. Die Premierministerin hatte in die Wege geleitet, dass dieses Mahnmal schnell errichtet wurde. Damit wollte sie nicht nur so rasch wie möglich einen Schlussstrich unter die Ereignisse ziehen, sondern auch durch die Versammlung eines größeren Publikums beweisen, dass London sich nicht vor dem Terrorismus versteckte, da die Londoner aus härterem Holz geschnitzt waren. Tatsächlich waren viele Menschen gekommen, aber nicht annähernd so viele, wie man in diesem Stadtteil erwarten konnte. Vielleicht waren die Londoner doch nicht so mutig.
    Der Wagen fuhr langsamer und blieb schließlich stehen. Möglicherweise wären mehr Leute gekommen, wenn der König aufgetreten wäre. Er hatte es vorgehabt, aber seine Gesundheit ließ zu wünschen übrig und McDonnell hatte ihn überredet, an einem anderen Tag den Prinzen von Wales an seiner Stelle zu schicken. Dem Publikum würde das mehr als recht sein, denn die meisten Leute fanden, dass der alte König das Zepter längst an seinen Sohn hätte abgeben sollen, so wie er es einst von seiner Mutter gefordert hatte. Jemand musste etwas für die Stimmung im Land tun und wer wäre besser dazu geeignet als ein junger, dynamischer König? Manche Leute wussten einfach nicht, wann sie abtreten mussten. Sogar hohle Macht konnte süchtig machen.
    Sobald sie aus der Limousine stiegen, begann das Blitzlichtgewitter. Die Journalisten waren hinter die innere Absperrung gedrängt worden. Beamten der Sicherheitspolizei in Zivil hatten sich unter sie gemischt, genau wie unter die Verwandten und Zuschauer weiter hinten. Sie beobachteten die Bevölkerung auf das geringste Zeichen verdächtigenVerhaltens hin. Abigail kannte sie nicht persönlich, aber sie fielen ihr schon allein durch die Haltung und ihren konzentrierten Gesichtausdruck auf, während ihre Blicke die Menge scannten. Die Körpersprache verriet fast alles.
    Es war erst zehn Uhr morgens, doch es wurde schon warm. Ausnahmsweise wirkte Abigails teure Sonnenbrille – die, Hollywood sei Dank, so klischeehaft wirkte und doch so wichtig war, um zu verbergen, wohin sie sah – nicht fehl am Platz. Barker holte den großen Blumenstrauß aus dem Wagen und folgte der Premierministerin zu der schwarzen Metallskulptur. McDonnell nahm ihm die Blumen ab, legte sie sorgsam auf den Boden und wandte sich dem Publikum zu. Abigail stellte sich seitlich neben sie, um die Menschen vor ihnen und seitlich hinter den Absperrgittern im Auge zu haben. Ihr Ohrhörer blieb still, aber sie ließ den Blick über die Häuser und Fenster schweifen für den Fall, dass der große Geheimdienst etwas versäumt

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