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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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Take-away-Packung unbestimmter Herkunft. Die Essensflecken auf dem Linoleum waren von dem ursprünglichen Muster kaum zu unterscheiden, falls es überhaupt eins gab. Nur für viel Geld wäre Cass bereit gewesen, den Kühlschrank zu öffnen.
    »Ich habe ein Zimmer möbliert vermietet, als es eng wurde.« Der Vermieter und Ladeninhaber Neil Newton, der selbst in der Wohnung wohnte, war ein nach Parfum stinkendes Weichei und klammerte sich an seine Jugend, indem er ein cooles Hemd trug, das über dem Bierbauch spannte. Es funktionierte nicht. Er war eindeutig Mitte vierzig – mausetot in der Zeitrechnung der Schwulen.
    »Das Badezimmer haben wir gemeinsam benutzt.« Seine Hände zitterten und die billigen goldenen Kettenarmbänder klimperten, als er gestenreich die verdreckte Wohnung vorführte. »Er hatte eine eigene Kochecke, aber es störte mich nicht, wenn er die Küche mitbenutzte.« Newton musste schlucken. »Wir waren Freunde geworden.«
    Cass ließ ihn im Flur zurück und lugte durch die Tür in das andere Zimmer. Joe Lidster, zweiundzwanzig, Student der Medien- und Kommunikationswissenschaften an der South Bank University – der zweite Tote von dieser Uni – lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Doppelbett, sodass die tiefen Schnitte an seinen Handgelenken gut zu sehen waren. Das Blut hatte in einem Kreis die saubere Tagesdeckedurchtränkt, die das gleiche Muster hatte wie die beiden Kissen hinter seinem Kopf, und auf beiden Seiten Pfützen auf dem Teppichboden gebildet, wo seine Finger herunterhingen. Das Tropfen hatte aufgehört. Außerdem gab es nirgends glänzende schwarze Schuhe, auf denen die Blutstropfen hätten landen können. Cass war froh darüber.
    Im Übrigen war das Zimmer zwar billig möbliert, aber aufgeräumt und sauber. An der einen Wand standen ein Kühlschrank, eine Herdplatte, ein Schrank und eine Kommode mit einem Fernseher darauf. Alles war wie geleckt. Cass dachte, wenn er das Badezimmer mit Newton geteilt hatte, würde es wohl auch gut geputzt sein, was sicherlich nur dem Studenten zu verdanken war.
    Neben dem Bett klebte ein Stück Papier an der Wand. Die mit dickem schwarzem Filzstift geschriebenen Worte waren sogar von der Tür aus gut zu lesen. Chaos im Dunkel . Der Zettel hing schief. Wäre Lidster noch am Leben gewesen, hätte er ihn bestimmt gerade gerückt.
    Cass ließ den Blick noch einmal schweifen und musste daran denken, dass er erst vor wenigen Monaten in einem ähnlich möblierten Zimmer gestanden hatte. Hier gab es keine toten Fliegen und auch keinen verwesenden Welpen, sondern nur den armen toten Joe Lidster, kalt und verblutet in einem Loch in Soho.
    »Bei allem Respekt«, setzte er an, als er sich wieder Newton zuwandte, »wieso hat er hier gewohnt, wenn er doch eine billigere und bessere Bleibe in der Nähe der South Bank hätte finden können?«
    Die Pomade in Newtons Haar mischte sich auf seiner Stirn mit kleinen Schweißperlen. Cass war nicht sicher, ob es an der Hitze oder an der Situation lag oder ob Newton immer so aussah. Letzteres hätte ihn nicht gewundert; derMann hatte soviel Parfum aufgelegt, dass man es als Versuch werten konnte, ein Schweißproblem zu überdecken; jedenfalls wollte er ihm auf keinen Fall am Ende des Tages zu nahe kommen.
    »Dort hat er zuerst auch gewohnt. Aber Sie wissen ja, wie Studenten so sind. Er hatte eine schwere Trennung hinter sich und finanzielle Probleme. Daraufhin hat er hier Teilzeit gearbeitet und ich habe ihm das Zimmer angeboten.« Er warf einen raschen Blick an Cass vorbei auf die Leiche. »Er war ein netter Junge. Es klappte gut.«
    Cass war sicher, dass Newton es ganz toll gefunden hatte, den jungen Mann um sich zu haben.
    »Ich glaube, es gefiel ihm, mitten in Soho zu wohnen«, fuhr Newton fort. »Hier sind schließlich alle Medien versammelt. Er hatte gerade einen Job als Bote bei irgendeiner Firma angenommen. Na ja, was die so als Job bezeichnen – Geld hat er dafür nicht bekommen. Aber trotzdem, es ging ihm offenbar besser seitdem.« Er schniefte. »Ich habe keine Ahnung, wieso er das gemacht hat. Echt nicht. Vielleicht wäre das nicht passiert, wenn ich gestern Nacht hier gewesen wäre und nicht bei meiner Schwester. Ich fühle mich ganz schrecklich.«
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Mr Newton.« Cass stellte sich in die Tür zu Lidsters Zimmer. »Wenn Sie jetzt bitte in Ihrem Laden warten würden, während wir hier unsere Arbeit tun.«
    »Selbstverständlich.« Seine missbilligende Miene sagte etwas anderes,

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