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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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hatte Adam nicht verstanden, jedenfalls damals nicht, und er hatte weitere Erklärungen gefordert, jedoch vergeblich. Jetzt, da er gesund war und wieder durchblickte, wollte er nicht noch mal fragen. Er spürte dasLeuchten in seinem Inneren. Es war eine Art Kraft, von der er mit Bestimmtheit glaubte, sie auf etwas richten zu können, wenn er sich nur genug Mühe gab.
    Obwohl ihm warm war – der Altweibersommer wollte London gar nicht wieder loslassen –, trug er einen langen dunklen Mantel, den er sich von seinem ersten Lohn gekauft hatte. Der Boss hatte über diese Hommage an den Mann, der ihn quasi von den Toten hatte auferstehen lassen, gelächelt. Jetzt stand er in dieses unnötig warme Kleidungsstück gehüllt an der Ecke einer schäbigen Straße mit Reihenhäusern, die zwei Minuten von der U-Bahn-Station Queen’s Park entfernt lag. Er wartete bereits seit zehn Minuten und wäre am liebsten sofort wieder gegangen. Früher hatte er einmal davon geträumt, an so einem Ort zu wohnen, doch jetzt betrachtete er die Häuser mit einem vagen Ekel, als würden der Schmutz, der Unrat und die abgeblätterte Farbe in ihm einen Gleichgesinnten ansprechen und ihn, Tritten und Geschrei zum Trotz, in die Person zurückzerren, die er früher gewesen war. Er wollte nur noch seine Aufgabe erledigen und in die Zivilisation zurückkehren.
    Bradley sollte sich drei Menschen nähern und ihnen etwas ganz Bestimmtes sagen. Er war nicht aufgeregt, denn genau das hatte er schon mehrmals getan. Wenn überhaupt, langweilte es ihn allmählich, auch wenn ihn die damit verbundene Macht amüsierte. Er hatte vorher nie begriffen, wie leicht sich die Menschen beeinflussen ließen.
    Endlich kam der Junge aus der U-Bahn und ging auf die Straße zu. Er war allein und trug Kopfhörer, um die Geräusche der Stadt auszublenden und, wie Bradley annahm, heftige hässliche Musik zu hören. In seiner Baggyjeans und dem Kapuzenshirt sah er so viel jünger aus, als Adam sich fühlte, obwohl sie nur ein Jahr auseinander waren. Elroy Peterson war einundzwanzig, während Adam Bradleydemnächst seinen dreiundzwanzigsten Geburtstag feiern würde – doch zwischen ihnen lagen Welten.
    Er löste sich aus seiner Ecke und steuerte die Bewegung so perfekt, dass er mit dem Studenten zusammenstieß. Dann ließ er die offene Lederbrieftasche fallen, die er unter den Arm geklemmt hatte, und diverse Zettel und Papiere fielen auf den Bürgersteig. Elroy Peterson riss die Augen auf und zog rasch die Ohrstöpsel heraus.
    »Das tut mir echt total leid, Mann«, sagte er.
    »Kein Problem«, sagte Adam, »ich hätte besser aufpassen sollen.«
    Sie gingen in die Hocke und hoben die unwichtigen Briefe auf.
    Adam Bradley lächelte.
    »Spürst du Frieden in der dunklen Stille deines Geistes?«, fragte er.
    Petersons Hand erstarrte und fing dann leicht an zu zittern. Er hob den Blick. Er sagte nichts.
    Bradley reichte ihm ein kleines Stück Papier, nur dieser Zettel war von Bedeutung. Dazu sagte er leise: »Heute Abend um neun Uhr wird hier ein Taxi auf dich warten. Es bringt dich dorthin, wo du hingehörst. Ich treffe dich draußen. Du darfst keinem davon erzählen. Hast du das verstanden?«
    Der Student bewegte seinen Kopf wie durch zähen Klebstoff und nickte. »Ich habe verstanden«, sagte er.
    Bradley beugte sich vor und kniff den jungen Mann zwischen Daumen und Zeigefinger. »Die dunkle Stille ist gut. Ignoriere sie.«
    Dann ließ er ihn los, hob die Papiere auf und plapperte etwas Geistloses über seine eigene Ungeschicklichkeit, wie dumm er doch war und so weiter.
    »Lass gut sein, Kumpel«, sagte Peterson. »Ich habe iPodgehört, es war meine Schuld.« Er gab ihm die restlichen Briefe und sie standen beide auf. »Hoffentlich waren sie nicht sortiert.«
    »Nein.« Bradley lächelte. »Es ist nichts passiert.«
    »Gut.« Peterson nickte ihm zum Abschied unbeholfen zu und steckte die Kopfhörer wieder in die Ohren, ehe er seinen Heimweg fortsetzte.
    »Nichts passiert«, murmelte Bradley noch mal und ein zufriedenes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Er wartete, bis Peterson nicht mehr zu sehen war, überquerte die Straße und ging zu seinem Auto, das er in einer Nebenstraße geparkt hatte. Bevor er nach Hause gehen und sich ein paar Stunden ausruhen konnte, musste er noch zwei Besuche erledigen. Die Bösen kommen nie zur Ruhe.

    Cass hatte alle Lampen im Wohnzimmer und in der Küche angeschaltet. Auch wenn er nicht an Geister glaubte, war er nicht in der Stimmung für die

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