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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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konnte.
    »Sie kamen ohne es zurück«, sagte er. »Sie haben geschrien.« Er warf dem blassen, schlanken Mann, der ihm gefolgt war, einen Blick zu. »So etwas habe ich noch nie gehört. Noch nicht einmal davor, im Zuge all dieser Kämpfe.«
    »Warum haben Sie uns nichts davon erzählt? Uns, dem Zirkel? Vielleicht wären andere dann weniger scharf darauf, nach den Gängen zu suchen.«
    Sie unterhielten sich leise, während weiß gekleidete Männer Messwerte ablasen und schwere weiße Geräte justierten, ohne den Blick zu heben.
    »Solomon fand, es wäre das Beste, wenn niemand wüsste, was sie durchgemacht haben. Vielleicht hatte er recht.«
    »Dieses Sterben wäre eine Gnade für sie. Warum nimmt es sie nicht zu sich?« Mr Dublin stellte diese Frage leise und nachdenklich. Mr Bright hatte noch nie erlebt, dass er geschrien, die Beherrschung verloren oder auch nur die Stimme erhoben hatte. Mr Dublin war in vieler Hinsicht ein bemerkenswerter Mann.
    »Sind sie zur Hälfte hier und zur Hälfte da draußen?«
    »Sieht fast so aus. Das Leuchten kann nicht zerstört werden, es muss also irgendwo sein.«
    »Dann ist er verloren – dieser verbliebene kleinere Körper ist nicht er selbst; das war er nie, nur ein Mantel.« Er atmete lange den Rauch aus. »Vielleicht sollten wir sie töten.«
    »Dann hätten sie keine Chance mehr. So, wie es aussieht, könnte eine Zeit kommen, in der wir sie wiederherstellen können. Oder sie finden den Rückweg und stellen sich selbst wieder her.«
    Mr Dublin schwieg. Mr Bright hatte ihn nicht überzeugen können. Kein Wunder, seine Antwort war nicht ganz ehrlich gewesen. Sie mussten sie weiterbeobachten und sehen, was passierte. Möglicherweise erholten sie sich eines Tages so weit, dass sie wieder sprechen konnten oder mindestens einer von ihnen … wenn sie bloß aufhörten verrückt zu sein. Es wäre interessant, das zu erleben.
    Als ein Schrei durch das Atrium hallte, zuckte Mr Dublin sichtlich zusammen, während die Männer und Frauen unter ihnen völlig unbeeindruckt mit ihrer Arbeit fortfuhren.
    »Was war das?«
    »Das Experiment geht nicht ohne Schmerzen vonstatten, nicht einmal für sie. Wir bringen sie dazu, weiter zu sehen als je zuvor, und auch wenn wir sie anfangs benutzt haben, damit wir nicht mehr so viele eigene Leute verlieren, können sie weiter reisen als wir, wenn wir sie verbessern. Wir sorgen allerdings dafür, dass sie sich nicht mehr an den Schmerz erinnern, wenn sie hier weggehen.« Mr Bright machte eine Pause. Es tat überraschend gut, mit einem anderen über diese Dinge zu reden. »Doch sie werden beschädigt und ich glaube, sie lassen ebenfalls etwas zurück.«
    »Was lassen sie zurück?«
    »Diejenigen, die ein wenig Leuchten haben, lassen das zurück. Allerdings glaube ich, dass es noch etwas anderes gibt.« Er lächelte. »Ich glaube, dass sie tatsächlich diese sogenannte ›Seele‹ haben. Vielleicht ist sie für sie das Leuchten, auf einer niedrigeren Stufe als unser eigenes.«
    Mr Dublin starrte nach unten, wo das schreckliche Schreien herkam, als ob er irgendwie seine Farbe erkennen könnte. »Ihr Schmerzvermögen erstaunt mich.« Er warf Mr Bright einen Blick zu. »Er war nicht besonders nett zu ihnen, oder?«
    »Nein. Er war nie besonders nett.«
    Als das Geschrei noch lauter wurde, gingen sie zum Aufzug und fuhren zum Dach, wo sie auf die Terrasse hinaustraten. Unter ihnen rauschte noch immer das Treiben der Stadt, der späten Stunde und der Angst vor Bomben zum Trotz. Im Schein der Straßenlaternen fuhren die Massen in Autos und Taxen durch die Straßen. Weder Mr Bright noch Mr Dublin blickten nach unten.
    Der Himmel über ihnen war klar und in der Luft lag ein erster Eishauch. Mr Bright rauchte eine dicke Zigarre, Mr Dublin noch eine seiner eleganten Zigaretten. Schweigend schauten sie in die Sterne. Mr Bright beschloss, dass er Mr Dublin gernhatte; seine sanfte Freundlichkeit erinnerte ihn an Solomon. Zeitweise war er zwar ein wenig gefühlsduselig und ihm fehlte das Feuer, das vor seiner Vernichtung durch das Experiment in Rasnic gelodert hatte, aber unter seinem zerbrechlichen Äußeren lag eine ruhige intellektuelle Kraft, die Mr Bright Respekt einflößte. Außerdem verstand Mr Dublin, wann ein Bruder verloren war, auch wenn Rasnic genau genommen noch lebte.
    »Glauben Sie, dass die anderen es vergessen haben?«, fragte Mr Dublin. »Wie es wirklich war, meine ich.«
    »Die einen oder anderen.«
    »Vielleicht liegt es auch an uns«, fügte er

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