Die Farben der Magie
Schreckliches.
Seine Erfahrungen wiesen ihn unmißverständlich darauf hin, daß es nicht lange dauern konnte, bis sich das Universum von der Überraschung erholt hätte und wieder damit beginnen würde, ihn in die eine oder andere ausweglose Situation zu bringen. Er sprang vor und durch eine Lücke im Kreis der tanzenden Dryaden, die noch immer den magischen Kreis bildeten. Einige Sekunden später verharrte er, um festzustellen, wie Druellae reagierte.
»Packt ihn!« rief sie. »Bringt ihn möglichst weit vom Baum fort, bevor ihr ihn tötet!«
Rincewinds Beine bewegten sich von ganz allein und trugen ihn durch den Fokus des Kreises.
Etwas blitzte.
Plötzliche Dunkelheit wogte heran.
Ein violetter Schatten, der schwache Ähnlichkeit mit dem Zauberer aufwies, schrumpfte und verschwand.
Stille folgte.
H run der Barbar schlich lautlos durch Korridore, in denen das Licht so violett war, daß es fast schwarz wirkte. Seine anfängliche Verwirrung hatte sich inzwischen verflüchtigt. Es handelte sich ganz offensichtlich um einen magischen Tempel, und das erklärte alles.
Es erklärte zum Beispiel, warum er am vergangenen Nachmittag, als er durch den dunklen Wald ritt, eine Truhe am Wegesrand erspäht hatte. Der Deckel stand einladend offen und gewährte einen Blick auf ziemlich viel Gold. Doch als Hrun vom Pferd sprang und sich der Kiste näherte, wuchsen ihr plötzlich Beine. Sie trabte davon und blieb etwa hundert Meter entfernt stehen.
Der Barbar hatte die seltsame Truhe einige Stunden lang verfolgt und sie nun in diesen düsteren Gängen verloren. Mehrmals fiel sein Blick auf eher unangenehme Darstellungen in den Wänden und einige zerrissene Skelette, aber solche Dinge weckten keine Furcht in ihm. Das lag daran, daß er einerseits nicht besonders intelligent war und es ihm andererseits an Phantasie mangelte. Außerdem gehörten Skelette, sonderbare Skulpturen und gefährliche Tunnel zur täglichen Gewohnheit Hruns. Er verbrachte einen großen Teil seiner Zeit in ähnlichen Situationen, suchte nach Gold, kämpfte gegen Dämonen, rettete verzweifelte Jungfrauen und befreite sie jeweils von den Eigentümern, ihrem Leben und mindestens einem Grund für ihre Verzweiflung.
Beobachten Sie nun, wie Hrun leichtfüßig wie eine Katze an einer verdächtigen Öffnung in der Wand vorbeispringt. Selbst im violetten Licht glänzt seine Haut kupferfarben. Er trägt viel Gold bei sich, in Form von Fuß- und Armringen, aber ansonsten ist er nackt – abgesehen von einem Lendenschurz aus Leopardenfell. Er bekam ihn in den dampfenden Dschungeln Wiewunderlands – nachdem er den Besitzer mit den Zähnen getötet hatte.
In der rechten Hand hält er das magische schwarze Schwert Kring, geschmiedet aus einem Blitz. Es hat eine eigene Seele und verbirgt sich nie in einer Scheide. Hrun hatte es erst vor drei Tagen aus dem unbezwinglichen Palast des Erzmandriten von B'Ituni gestohlen und bedauerte das bereits, weil ihm die Klinge allmählich auf die Nerven ging.
»Die Kiste ist durch den letzten Gang auf der rechten Seite gelaufen«, zischte Kring. Es hörte sich an, als kratze Stahl über einen Stein.
»Sei still!«
»Ich wollte nur darauf hinweisen…«
»Du sollst die Klappe halten!«
U nd Zweiblum…
Er wußte nicht mehr, wo er sich befand. Entweder war das Gebäude weitaus größer, als es zunächst den Anschein hatte, oder er durchstreifte jetzt ein langgestrecktes Kellergeschoß, ohne irgendwelche Treppen hinter sich gebracht zu haben. Es gab noch eine dritte Möglichkeit: Vielleicht mißachteten die inneren Dimensionen des Tempels eine grundlegende Regel der Architektur, indem sie größer waren als die Außenseite. Und dann die seltsamen Lampen… Sie präsentierten sich ihm als achteckige Kristalle, die in regelmäßigen Abständen an der Decke und den Wänden glühten. Ein höchst eigenartiges Licht ging von ihnen aus; es erhellte die Umgebung nicht, sondern betonte die finsteren Konturen der Dunkelheit.
Hinzu kamen die Darstellungen in den Wänden. Von wem auch immer sie stammen mögen, dachte Zweiblum heiter, der Betreffende hat zuviel getrunken. Viele Jahre lang.
Eins ließ sich jedoch nicht leugnen: Das Gebäude war faszinierend, und sein Architekt schien von der Zahl Acht besessen zu sein. Der Boden bestand aus achteckigen Fliesen. Die besondere Neigung der Wände schuf acht Seiten, wenn man Decke und Boden mitzählte. Und dort, wo sich Lücken im Mauerwerk gebildet hatten, bemerkte Zweiblum acktekkige
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